St. Barbara ist gerettet

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Nach dem Vorbild von Poitiers hat Duisburger Kirche in Laienregie Bestand

Duisburg. „Wir hoffen, dass unser Pilotprojekt zur Seelsorge rund um die eigentlich zur Schließung vorgesehene Barbarakirche wirklich angenommen wird.“ Es sind zwei Frauen, selbstbewusste kfd-Aktive, die für viele in der fast 3000 Katholiken zählenden früheren Barbarapfarrei, Röttgersbach, sprechen. Am Revers tragen sie beim Oktoberfest im Gemeindezentrum in Duisburgs Norden Buttons: „Frauen.Macht.Zukunft“. Doch Christa Wegner und ihre Kollegin Elisabeth Jakubowski (75) vom kfd-Führungsteam sind alles andere als Rebellinnen. Mit ihrer kfd sind sie an diesem Samstag dem 160 Mitglieder starken Förderverein St. Barbara beigetreten, der jetzt von zusätzlich 90 Mitgliedern unterstützt wird.

Die Frauen, der Förderverein St. Barbara und der Gemeinderat treiben in der nur noch bis 2015 bestehenden alten Barbara-Gemeinde voran, was im Bistum Essen einzigartig ist und erst in der Folge von heftigsten Protesten gegen Kirchenschließungen im Norden der Stadt (Januar 2012) entstand: das nach dem Vorbild der französischen Kirche von Poitiers als „Vier-Säulen-Modell“ entwickelte Pastoralkonzept für die Sicherung des Lebens in St. Barbara. Zum Oktoberfest des Fördervereins bestätigte auch Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck das Konzept in einem Brief an alle Katholiken von St. Barbara.

Die Konsequenzen: St. Barbara kann in Laienregie und ohne den Zufluss von Bistumsmitteln Bestand haben. In der Pastoral des Vier-Säulen-Modells sollen Nicht-Geweihte  entscheidende Verantwortung  für die Säulen Liturgie, Diakonie, Verkündigung und Gemeinschaft (Koinonia) tragen. In der Konsequenz solcher Laien-Verantwortung wird es wohl ab 2016 in St. Barbara keinen letztverantwortlichen Priester mehr geben.  Für Messen und die Sakramentenspendung werden andere Geistliche an die Fahrner Straße kommen. Wortgottesdienste, Seelsorge, Caritas- und Weltkirchenarbeit sowie Frauen-, Senioren- oder Kinderpastoral tragen die Laien selbst.

Am Rand des Oktoberfestes erklärten Ute Straterhoff (Gemeinderat), Angelika Hoffmann (Förderverein) und der seit 2008 in Fahrn aktive Seelsorger Pastor Thomas Pulger (44) vieles über die seit dem „Protestjahr“ 2012 am Runden Tisch der drei Gemeinschaften und Gremien entwickelte Arbeit in St. Barbara im Kontext der Pfarrei St. Norbert. „Zu den vier Säulen“, sagt Hoffmann, „ist in St. Barbara eine fünfte notwendig, die „wirtschaftliche Sicherung der Pastoral“. Und Pulger sowie Stratmann berichten, dass  Teams von jeweils fünf ehrenamtlich tätigen Laien ab sofort und nach dem Projektstart 2015/16 für die Arbeit an jeder der fünf Säulen gerade stehen.

Dabei sind die Barbari-aner/innen keineswegs nur Visionäre oder Träumer. „Wir planen unsere Zukunft im auch vom Bistum abgesegneten Finanzrahmen von jährlich 22000 Euro. Dadurch gesichert ist der Bestand des Gemeindezentrums der 90er und der Kirche der 50er-Jahre“, erläutert auch Christian Brans vom Förderverein. Rund 10000 Euro kommen jetzt schon aus Mitgliedsbeiträgen des Vereins, zudem 5000 Euro aus Spenden, 3000 Euro als Material, Sach- und gespendeten Handwerkerleistungen. Zurückhaltend auf der Basis aktueller Einnahmen und des St.-Norbert-Etats geschätzt, war der Runde Tisch bereits im Fünf-Säulen-Konzept in diesem Sommer zuversichtlich: „Die gewachsene Bevölkerungsstruktur in Röttgersbach ist mit Blick auf ihre Anbindung zum kirchlichen Leben sehr positiv zu beurteilen… Insbesondere das Spendenaufkommen und die Sponsorenaktivitäten werden sich deutlich erhöhen, wenn es ein positives Signal zum Weiterbestand der Gemeinde geben sollte.“

Aufbruch mit Mut
Dieses Signal in pastoraler Hinsicht hat der Bischof nach intensiven Kontakten vor allem über Pfarrer P. Thomas Lüke (St. Johann/St. Norbert) in seinem in allen Messe verlesenen Brief gesetzt. Er schreibt: „Ich möchte …denen ganz herzlich danken, die in den vergangenen Monaten an diesem Konzept für eine ortbezogene Weiterentwicklung der Kirche gearbeitet haben. Sie sind damit erste Schritte zur Realisierung einer ,nahen‘ Kirche gegangen, in der Christinnen und Christen die lokale Bedeutung ihres Wirkens (als Getaufte und Gefirmte) entdecken und umsetzen, wie es im Zukunftsbild unseres Bistums beschrieben ist.“ Overbeck sagte zu: „Ich bin gerne bereit, das von Ihnen erarbeitete Konzept inhaltlich mitzutragen und zu fördern.“

Über zwei Jahre nach den bundesweit beachteten Diskussionen um die Zusammenführung von zwei Großpfarreien im über 150000 Einwohner-Stadtbezirk Hamborn und Auseinandersetzungen um den Fortbestand von nur vier statt neun früherer Pfarrkirchen in St. Norbert, sind damit die heftigen Kämpfe für St. Barbara vorbei, die Gemeinde um Angelika Hoffmann, Pastor Thomas Pulger und Ute Straterhoff hat als Gemeinschaft vor Ort ein Stück Zukunft entwickelt. Viel Arbeit bleibt.

„Bis St. Barbara Ende 2015 neu startet und auch danach“, sagen die kfd-Frauen Elisabeth Jakubowski und Christa Wegner, „sind wir auch auf Katholiken in der Großpfarrei angewiesen. Von hier aus wollen wir mit ihnen unser Pilotprojekt entwickeln.“ Dieser Aufbruch mit viel Mut und ohne Illusionen liest sich dann im Konzept des Rundes Tisches so: „Mit dem Konzept beschreitet St. Barbara einen neuen Weg mit ungewissem Ausgang. Die Erkenntnis, dass gewohnte Strukturen von Kirche und Gemeinde (demografisch und wirtschaftlich in Dtld. bedingt, d. Red.) nicht mehr funktionieren, hat…zu unserem auch schmerzhaften Prozess der Selbstreflexion geführt.“ Auf der anderen Seite stehe „ein gestärktes Bewusstsein und die Bereitschaft katholischer Christen für Verantwortung in Gemeinde und Kirche“ insgesamt.
Ulrich Wilmes