Menschen, die die Welt verändern

Sieben Menschen wird Papst Franziskus an diesem Sonntag, 14. Oktober, heiligsprechen. Weltweit bekannt sind Papst Paul VI. und Erzbischof Oscar Romero aus El Salvador. Vor allem in Deutschland ist zudem Katharina Kasper (1820-1898) einigen ein Begriff. Alle drei lebten in einer Zeit des Umbruchs und gaben Kirche und Gesellschaft entscheidende Impulse zur Veränderung.

Die Gründerin der Dernbacher Schwestern: Schwester Katharina Kasper. ( Foto: Dernbacher Schwestern)

Aus der Idee und dem Engagement der Westerwälder Bauerntochter Katharina entstand einer der größten Krankenhausverbände des Landes. In der „Dernbacher Gruppe Katharina Kasper“ sind heute mehr als 20 Gesellschaften und Beteiligungen von Gesundheitseinrichtungen zusammengefasst. Aus Dernbach bei Montabaur stammte Kasper, „Dernbacher Schwestern“ wurde ihre Gemeinschaft daher genannt. Sie selbst gab ihrer Gemeinschaft, mit der sie eines der großen Sozialprobleme des 19. Jahrhunderts anging, den Namen „Arme Dienstmägde Jesu Christi“.

Das klang schon damals provokant unattraktiv. Doch die Bauerntochter setzte sich gegen ihren Bischof durch. Und stellte dabei gleich klar: „Wir sind Dienstmägde Jesu Christi und nicht Dienstmädchen eines Pfarrers.“ Dorfschule, Kleinbauernhof, Tagelöhnerin im Straßenbau. Inmitten harter körperlicher Arbeit entwickelt Kasper die Idee eines „frommen Vereins“, der sich zum Gebet trifft und sich um Arme und Kranke kümmert. Heute zählt die Kongregation weltweit rund 600 Schwes­tern in 87 Niederlassungen. „Man muss Herz und Liebe für die Kranken haben, denken, es sei der Heiland, den wir pflegen“, verlangte die Ordensgründerin von ihren Mitschwestern. Ein Glaube, der Berge versetzte und half, das zu schaffen, was unser heutiges Gesundheitssystem ist.

Modernisierer der Kirche

Auch Papst Paul VI. war ein Modernisierer, selbst wenn die wenigsten den Verfasser der „Pillen-Enzyklika“ „Humanae vitae“ so einschätzen. Doch der frühere Erzbischof Giovanni Battista Montini von Mailand und langjährige Kurienkardinal modernisierte die Katholische Kirche tatsächlich wie kaum ein anderer Papst. Die Welt wandelte sich rasend schnell, und die Kirche stand mitten im größten Konzil ihrer Geschichte, als die Wahl auf ihn fiel. Am Ende seiner 15-jährigen Amtszeit hatte die Katholische Kirche ein anderes Gesicht.

Am Ende des Konzils standen das Bekenntnis der Kirche zur Glaubensfreiheit, die Öffnung der Liturgie für die Volkssprache, die Anerkennung anderer Religionen als Dialogpartner. Auch politisch setzte der erste „Reisepapst“ der Neuzeit Impulse. Sein Friedensappell vor den Vereinten Nationen in New York 1965 galt als Meilenstein. Als erster Papst begann er Gespräche mit der Sowjetunion und dem atheistischen Ostblock. Im Heiligen Land umarmte er den Orthodoxen Patriarchen Athenagoras und hob mit ihm den gegenseitigen Bann von 1054 auf.

Auch der 1980 ermordete Erzbischof Oscar Romero war ein Mann des Wandels: von einer Kirche, die es mit den Mächtigen hält, zu einer Kirche an der Seite der Armen. Bis heute herrscht kein Frieden in seiner Heimat. „Manchmal hat man das Gefühl, nach El Salvador kommt der Erlöser nur zum Weinen“, sagt Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz angesichts der allgegenwärtigen Gewalt in dem südamerikanischen Land. „Die Heiligsprechung von Romero ist Balsam für die verwundete Seele des Volkes von El Salvador, die nach den Jahren des Bürgerkrieges nie Versöhnung oder Wiedergutmachung erfahren hat.“

Der Märtyrertod von Romero sei für die Kirche Ansporn, aus dem Glauben heraus der sozialen und politischen Verantwortung in der Welt gerecht zu werden und den Konflikt mit den Mächtigen auszutragen. Das seien nicht allein El Salvadors Oligarchen, sondern gerade auch die USA, die einen Stellvertreterkrieg in El Salvador geführt haben. Unter den Folgen leidet das Land noch heute. „Statt an einer Grenzmauer, sollte US-Präsident Donald Trump mit am Frieden in El Salvador bauen“, betont Heinz, der an der Heiligsprechung in Rom teilnimmt.

Hubert Wolf: „Papsttum feiert sich selbst“

Kritik an den Heiligsprechungen von Päpsten hat unterdessen der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf geübt. Auffällig sei schon deren Häufung, sagte er den Wochenzeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse (Sonntag) in Osnabrück. Für sechs der acht verstorbenen Päpste des 20. Jahrhunderts laufe ein Verfahren oder sei es bereits abgeschlossen. Blicke man dann darauf, wer heiligspricht, nämlich ausschließlich der amtierende Papst, müsse man sagen: „Das Papsttum feiert sich selbst.“

Wolf hält auch die Verfahren zur Heiligsprechung von Päpsten für fragwürdig. Er selbst habe in zwei Historikerkommissionen für Heiligsprechungsverfahren mitgewirkt, erläuterte der Theologe. Dort sollten eigentlich Akten und Quellen „nach den Regeln der historischen Kunst“ geprüft werden. Das aber sei weder bei Johannes Paul II. noch bei Paul VI. geschehen. Zum einen seien nicht alle Akten freigegeben worden. Zum anderen habe es an Zeit gefehlt. „Die amtierenden Päpste setzen die Ordnung des Heiligsprechungsverfahrens für ihre Vorgänger einfach außer Kraft“, so Wolf. Jeder Märtyrer für den Glauben im Nationalsozialismus habe es schwerer, heiliggesprochen zu werden als ein Papst.

Wolf hinterfragt auch die Wirkung der Heiligsprechungen von Päpsten auf die Gesellschaft. „Ist es angemessen, dass die Kirche sich und ihre obersten Repräsentanten feiert, wo sie eigentlich in Sack und Asche gehen müsste?“ Er halte das nicht für klug. In Zeiten von Missbrauchsdebatten könne es ein Zeichen sein, „diese Heiligsprechungen und Selbstbeweihräucherungen einfach mal auszusetzen“.

„Ein gewisses Stirnrunzeln“

Kritik an der Vielzahl von Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten hatte zuvor bereits der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück geübt. Die „Akkumulation von Heiligsprechungen von Päpsten durch Päpste“ rufe inzwischen „selbst bei gläubigen Katholiken ein gewisses Stirnrunzeln hervor“, schreibt Tück in einem Beitrag für die „Neue Zürcher Zeitung“ (Mittwoch). Anlass ist die Heiligsprechung von Papst Paul VI. (1963-1978) am Sonntag durch Papst Franziskus in Rom.

Die Kritik des Theologen entzündet sich nicht allein an der Häufung der Selig- und Heiligsprechungen in den vergangenen drei Pontifikaten, sondern vor allem an der aktuellen innerkirchlichen Krisensituation: „Steht die Selbstsakralisierung der Institution Kirche nicht in krassem Missverhältnis zu den Krisen und Skandalen, die in letzter Zeit publik geworden sind?“, fragt Tück. „Man könnte meinen“, so der Theologe weiter, „dass der anhaltende Bedeutungsverlust, den die päpstliche Autorität in den freien Gesellschaften erlitten hat, durch eine gesteigerte Bedeutungszuschreibung auf der Ebene des Persönlich-Charismatischen aufgefangen werden soll.“

Beispiele für die vermehrte Selig- und Heiligsprechungspraxis gebe es genug: angefangen bei Pius X. (1903-1914), der 1954 durch Papst Pius XII. (1939-1958) heiliggesprochen wurde, über die Päpste Pius IX. (1846-1878) und Johannes XXIII. (1958-1963), die beide im Jahr 2000 durch Johannes Paul II. (1978-2005) seliggesprochen wurden, bis hin zum polnischen Pontifex selbst, den Papst Benedikt XVI. (2005-2013) schließlich 2011 selig- und Papst Franziskus 2014 heiliggesprochen hatte. Ein weiteres Seligsprechungsverfahren läuft für den 33-Tage-Papst Johannes Paul I. (1978).

Gewiss würden diese Selig- und Heiligsprechungen die Lebensleistungen der betreffenden Päpste für die Kirche würdigen, jedoch seien sie auch nicht selten kirchenpolitisch motiviert, so Tück – etwa, wenn wie im Fall Pius X. und Pius IX. jeweils ein Antimodernist und Liberalismus-Kritiker zur Ehre der Altäre erhoben wurde; oder wenn im Fall Johannes XXIII. jener Papst gewürdigt wurde, der das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) einberufen hatte.

Karl Peters/kna/rwm

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