Foto: Uwe Steinbrich/pixelio.de
Manche tun es nur unter der Dusche, etliche auch im Kirchenchor, viele lassen sich dazu hinreißen, wenn sie im Fußballstadion oder auf Geburtstagsfeiern sind. Und es gibt auch immer wieder solche, die von sich sagen, sie könnten es nicht: singen. Was man vor allem benötigt, um singen zu können, ist vor aller Technik und Begabung der eigene Atem.
Singen ist Ausdruck von Lebendigkeit, und Mediziner wie Psychologen berichten von den gesundheitsfördernden Aspekten des Singens. Martin Luther kannte ebenfalls die Wichtigkeit des Singens und hat es geschickt zu nutzen gewusst: Er dichtete etliche Lieder im Geiste seiner Reformationslehre und unterlegte sie mit bekannten weltlichen Melodien, geistliche Kontrafakturen also, die beim Volk sehr begehrt waren und nicht nur in Kirchen, sondern auch auf Feldern und in Gasthäusern erklangen. Die Reformation hat sich ihren Sieg seinerzeit förmlich ersungen.
In der Osterwoche waren 50 katholische Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aus dem Bistum Essen in der Caritas-Inseloase auf Norderney zu einer Werkwoche „Wie klingt unser Glaube?“ zu Gast. Durch verschiedene Referentinnen und Referenten angeleitet, haben sie sich „verschütteten“ oder neuen geistlichen Liedern zugewendet. „Wie klingt unser Glaube?“ – eine Frage, die schon in der Bibel beheimatet ist; so heißt es im Epheserbrief „Singt in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist euch eingibt“ (Eph 5,19). Singen spielt bei den Zusammenkünften von Christen von Anfang an eine Rolle, und immer stellt sich die Herausforderung, wie Glaube aktuell in Worten und Weisen Gestalt gewinnt. In der katholischen Liturgie wurde der Kirchenmusik – möglicherweise auch in Abgrenzung zum Protestantismus – lange eine untergeordnete Rolle zugewiesen.
Sie diente vor der Liturgiereform allenfalls dazu, das Volk zu beschäftigen, während der Priester auf lateinisch betete, was für die meisten unverständlich blieb. Ritus und Gesang hatten wenig miteinander zu tun. Integraler Bestandteil In den 1960er-Jahren wurde dann dem Singen und der Musik im katholischen Gottesdienst zu neuer Bedeutung verholfen: Man erkannte neu, dass Kirchenmusik nicht nur schmückendes Beiwerk eines rituellen Aktes, sondern integraler Bestandteil der Liturgie darstellt. Das heißt, wenn wir im Gottesdienst singen, dann beten wir, bitten wir, danken wir, klagen wir vielleicht auch.
Durch diese veränderte Perspektive zeigt sich auch deutlicher, dass alle im Kirchenraum Versammelten denselben Gottesdienst feiern und nicht Priester und Gemeinde nebeneinander Unterschiedliches praktizieren. Singen hat liturgisch eine eminent gemeinschaftsfördernde Funktion – nicht nur auf Geburtstagen und in Fußballstadien. „Wer singt, betet doppelt“, wusste schon der Heilige Augustinus. Durch das Singen bekommt das Gebet mehr Tiefe, eine andere Qualität. Singen steckt an, es fördert die Gemeinschaft, vereint unterschiedliche Menschen zu einem gemeinsamen Tun. Welchen Stellenwert hat Singen in Ihrem Leben, in Ihrer Gemeinde? Gibt es ein Lied, dass Ihnen wichtig und kostbar geworden ist?
Mir ist in den letzten Jahren das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ von Johann Georg Neumark zum Begleiter geworden (Gotteslob 424). In seinem Text wird etwas von dem deutlich, was Romano Guardini „Gott durch die Ferne die Treue halten“ nennt: Auf Gott zu vertrauen, ganz gleich, was passiert, in allem Glück, aber auch in allem Versagen. In der 5. Strophe heißt es: „Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei Dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“ Singen ist eine Ausdrucksform des Glaubens. Wer singt, ist lebendig. – Ich wünsche Ihnen in der kommenden Woche immer ein Lied auf den Lippen!
Markus Fuhrmann – stammt aus dem Bistum Essen und arbeitet als Diakon auf Norderney
Gedruckt erschienen in: Neues Ruhr-Wort Nr. 16 vom 18. April 2015. Ihnen hat unser Bericht gefallen? Sie können unsere Wochenzeitung hier ganz bequem abonnieren.