Preisgekrönte Arte-Dokumentation „Der Bestatter“ heute im Fernsehen.
Der Versicherungskaufmann Bata ist seit ein paar Jahren Bestatter im größten Beerdigungsinstitut Serbiens. Es gehört seinem Schwiegervater Drnda und ist darauf spezialisiert, europaweit verstorbene Gastarbeiter heimzuholen. Auf den langen Autofahrten zu den Auftraggebern hat Bata viel Zeit zum Nachdenken. Er fragt sich, ob es für ihn und seine Frau Tanja, die beide in Deutschland aufwuchsen, auf die Dauer gut ist, sich rund um die Uhr um Tote und Hinterbliebene zu kümmern. Eigentlich wollen sie eine Familie gründen – doch die Nachwuchsplanung klappt nicht, wegen zu viel Arbeit und Stress. Die Belgrader Filmemacher Jovana und Dragan Nikolic porträtieren in ihrer Dokumentation „Der Bestatter“ ein sympathisches junges Ehepaar, das seine emotionale Belastungsgrenze erreicht hat. ARTE strahlt den ungewööhnlichen Film, der im letzten Jahr als beste europäische TV-Dokumentation für den Prix Europa nominiert wurde, am Freitag um 22.40 Uhr aus.
Die Dokumentarfilmer schildern den Alltag des Bestatters aus dessen persönlicher Sicht. Sie interviewen ihn unterwegs bei den Überführungen, begleiten das Paar bei der gemeinsamen Arbeit im Beerdigungsinstitut und in der knappen Freizeit. Sie begleiten Bata, als er zu einem Kunden in Ludwigsburg fährt. Ein Sarg in Übergröße soll es sein, aus serbischer Eiche. Auch der Text für die Traueranzeige muss noch aufgenommen werden. Ein anderer Toter, der eine Woche in der Wohnung lag, muss im Blechsarg nach Serbien gebracht werden. Doch den will der örtliche Bestatter nicht herausrükken.
Die Arbeit sei manches Mal unvorhersehbar schwierig und belastend, erzählt Bata. Das Schlimmste aber seien die Konkurrenten, die nur am Geschäft interessiert seien. In Serbien würden jetzt viele als Bestatter arbeiten –wegen des sicheren Einkommens.
Eltern beerdigen ihre Söhne
Die erste Generation der Gastarbeiter kehre jetzt als Tote aus Deutschland zurück, die zweite wahrscheinlich gar nicht mehr, überlegt Bata auf der Rückfahrt. Viele hätten davon geträumt, eines Tages mit einem Mercedes in die Heimat zurückzukehren. Und jetzt – ausgerechnet auf ihrer letzten Reise –erfülle sich ihr Wunsch. Bata freut sich, nach Hause zu kommen. Doch seine Frau Tanja sieht ihm an, dass er Probleme hat. Die Trauer und die Klagen der Hinterbliebenen machen ihm zu schaffen. Er habe schon die dritte Familie besucht, in der die Eltern ihre Söhne beerdigen mussten.
Anfangs hat sich Bata eingeredet, dass er nur in einem besonderen Transportgewerbe arbeitet. Doch schon bald merkte er, dass die Arbeit viel mehr von ihm fordert: Er muss Seelsorger, Tröster und Halt für die Hinterbliebenen sein – und das jeden Tag. Er weiß nicht, ob er in diesem Leben, in dem er 24 Stunden am Tag vom Tod umgeben ist, seinen Frieden finden kann. Vielleicht gehe er mit Tanja doch wieder nach Deutschland, meint Bata.
Die ständige Konfrontation mit Trauer und Tod zehrt an seinen Nerven. Der dauernde Umgang mit dem Sterben gebe ihm das Gefühl, abzustumpfen und jeden Tag ein wenig mitzusterben. Vielleicht seien die Traditionen und Rituale der Menschen die einzige Garantie für einen Sinn des Lebens: die Art, wie sie den Tod und die Geburt eines neuen Menschen feierten, philosophiert er am Schluss der berührenden Dokumentation.
Heide-Marie Göbbel
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