Am 7. Oktober 2001 hat Papst Johannes Paul II. in Rom den von den Nazis hingerichteten Nikolaus Groß seliggesprochen. In einem Pontifikalamt mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wurde daran jetzt erinnert – im Mauritiusdom, der Heimatkirche des Widerstandskämpfers und Journalisten.
„Nikolaus Groß hat seinem Namen alle Ehre gemacht: er hat Großes geleistet im Widerstand gegen das Nazi-Regime und dabei seinen Mut mit dem Leben bezahlen müssen“, unterstrich Pastor Mirco Quint (38) aus Niederwenigern. Groß wurde vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee ermordet. Zwischen 1933 und 1945 wurden dort nach amtlichen Quellen 2891 Todesurteile an Regimegegnern vollstreckt. „Für Christus“, so Kardinal Woelki, sei Groß im Januar 1945 gestorben, als Christ, Arbeiterführer und Widerstandskämpfer. „Er war das eine um des anderen willen! Sein Glaube war der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens.“
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Woelki verwies gleich zu Beginn seiner eindrucksvollen Predigt zum Gedenktag der Seligsprechung vor 15 Jahren auf die Spuren, die Nikolaus Groß hinterlassen hat. Im Hattinger Ortsteil Niederwenigern, wo im Nikolaus-Groß-Haus neben dem Dom einige Fotos, Originaldokumente und persönliche Besitzstücke des Märtyrers ausgestellt werden, wird seine Geschichte lebendig. „Dieser Ort war ihm zutiefst vertraut“, so der Kölner Erzbischof. Hier wurde Groß am 30. September 1898 geboren und besuchte von 1905 bis 1912 die katholische Volksschule. Im Mauritiusdom wurde er getauft, empfing er die erste heilige Kommunion, wurde er gefirmt und 1923 mit Elisabeth (geb. Koch) getraut. Das Paar bekam sieben Kinder.
„Wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dürfen wir nicht schweigen!“, ermahnte Woelki die Gläubigen. Er zog Parallelen zur heutigen Zeit, in der linke und rechte Parteien durch populistische Reden eine „Entsolidarisierung“ der Bürger erreichen möchten. „Die Menschen werden gegeneinander ausgespielt“, so der Erzbischof. Wie im Matthäus-Evangelium (7, 20-23) würden nicht alle, die „Herr, Herr!“, zu Gott sagen, ins Himmelreich kommen, sondern nur die, die den Willen Gottes aktiv leben. Der Glaube an Christus mache widerständig. „Glaubenszeugen wie Nikolaus Groß haben am Guten festgehalten im Vertrauen, dass sie am Ende von Gott gehalten werden.“
Zum Hochamt war der Mauritiusdom gut besucht. Die Hattinger Kirchenchöre der Pfarrei St. Peter und Paul, die Sänger von „Venimus“ sowie der Spontanchor sorgten für die musikalische Gestaltung. Zur Ehre des Seligen präsentierten sich die kirchlichen Vereine mit ihren Bannerträgern. Nach dem Gottesdienst fand eine kleine Feier in der Kirche statt. Besonders begrüßt wurde die Familie von Groß, Kinder und Enkel, die zum Gedenktag aus Köln gekommen waren. An der 2006 errichteten Stele für Groß trug Woelki die Fürbitten vor und wandte sich an den Seligen: „Als mutiger Zeuge des Evangeliums hast du gehandelt. Solidarität und Opferwillen haben deine Arbeit bestimmt.“
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Das Andenken von Groß am Leben zu halten, war auch dem Essener Altbischof Dr. Hubert Luthe ein großes Anliegen. Der 2014 verstorbene Luthe hatte einst den Initiativkreis ins Leben gerufen, der die Seligsprechung vorantrieb: Das Nikolaus-Groß-Haus der Gemeinde St. Mauritius in Niederwenigern ist eine würdige Erinnerungsstätte für den katholischen Arbeiterführer und NS-Widerstandskämpfer. Der mit der Ausstellung im Gebäude neben dem Pfarrhaus betraute Verein hatte sich im Juni 2015 neu gegründet. Zum 15. Gedenktag der Seligsprechung besuchte auch Woelki die erweiterte Schau.
Das kleine Museum wurde im vergangenen Jahr neu konzipiert, die Ausstellung moderner gestaltet, um größere Kreise für den Märtyrer zu interessieren. Zudem wollte man in Niederwenigern einen Ersatz für ein Grabzentrum schaffen. Denn ein Grab gibt es nicht, da die Leiche des Erhängten verbrannt und die Asche über Rieselfelder verstreut wurde. Noch ist nicht alles fertig. So soll in der „Todeszelle“ im oberen Stockwerk eine Hörinstallation an die letzten Briefe des Seligen an seine Familie erinnern. „Eine Schauspielerin liest die Texte vor, die man hier in Zukunft abspielen kann“, so Pastor Mirco Quint. Der Geistliche war für sein Wirken im Nikolaus-Groß-Haus vor kurzem mit dem „Licht von Xanten“ ausgezeichnet worden. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) vergibt den Preis seit 1988 an Gruppen und Einzelpersonen, die sich besonders für das Gedenken an den Widerstandskämpfer einsetzen.
Groß erlernte zunächst den Beruf des Hauers und arbeitete fünf Jahre unter Tage. Durch Weiterbildung schuf er selbst die Grundlage für seine politische und gewerkschaftliche Tätigkeit für die katholische Arbeiternehmer-Bewegung. Von 1912 bis 1914 war er Jungarbeiter im Blechwalz- und Röhrenwerk der Firma Weppen in Altendorf/Ruhr (heute Essen-Burgaltendorf). Von 1915 bis 1919 war er wie sein Vater Bergmann auf der Zeche Dahlhauser Tiefbau. Seine Grubenlampe steht symbolisch „als Licht von Xanten“ seit 1967 in der Krypta des Xantener Doms. Dort erinnert ein leerer Sarkophag mit den Namen weiterer Glaubenszeugen an den Märtyrer. Im Essener Dom ist ihm seit 2004 die südliche Seitenschiffskapelle geweiht. In Gelsenkirchen-Buer wurde ihm im Oktober 2003 an der Propsteikirche St. Urbanus eine Gedenkstätte aus Stein errichtet.
Mutiger Kampf
Nachdem Groß die ersten beiden Jahrzehnte seines Lebens im Ruhrgebiet verbracht hatte, zog es ihn 1922 nach Waldenburg (Niederschlesien). Dort war er kurzzeitig Gewerkschaftssekretär und dann zwei Jahre in Zwickau (Sachsen), wo er als Bezirksleiter des Gewerkschaftsvereins christlicher Bergarbeiter wirkte. Im Dezember 1924 kam er nach Bottrop, wohin er auch seine Familie mitnahm, und arbeitete bis Dezember 1926 als Gewerkschaftssekretär.
Mit dem Aufstieg zum Journalisten begann Groß seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus. Anfang 1927 wurde er zunächst Hilfsredakteur bei der „Westdeutschen Arbeiterzeitung“, dem Blatt der KAB. Später, als Chefredakteur, gab er den katholischen Arbeitern in gesellschaftlichen Fragen Orientierung und stellte sich mutig den politischen Herausforderungen der Zeit. Als er 1929 ins Kölner Ketteler-Haus einzog, hatte er ein klares Urteil über den heraufziehenden Nationalsozialismus gebildet.
Im Januar 1930 zog die Familie nach Köln. Als KAB-Redakteur schrieb er am 14. September 1930: „Wir lehnen als katholische Arbeiter den Nationalsozialismus nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern entscheidend auch aus unserer religiösen und kulturellen Haltung entschieden und eindeutig ab.“ Um die Zeitung vor dem Aus zu bewahren, musste Groß oft „zwischen den Zeilen“ schreiben, ohne politische Zugeständnisse zu machen. Doch im November 1938 wurde das in „Kettelerwacht” umbenannte Wochenblatt endgültig verboten. Das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin hatte im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda das Erscheinen untersagt – wegen eines Leitartikels, der die „Ruhe und Ordnung“ stören könnte.
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Zeichen des Glaubens
Groß war Mitglied im „Kölner Kreis“, ein Netzwerk von Katholiken im Rheinland und Westfalen, das die Nazis vor allem aus religiösen Gründen ablehnte. Dass er sich dem Widerstand anschloss, wird als Zeichen seines tiefen Glaubens gesehen. Er war davon überzeugt, dass man Gott mehr als den Menschen gehorchen muss. Sein Erbe ist aktuell wie nie, unterstrich der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki, der die Ausstellung zum 15. Gedenktag der Seligsprechung besuchte. Man müsse Stellung nehmen und nicht tatenlos zusehen, wenn die Würde des Menschen missachtet oder verletzt wird.
„Wenn von uns etwas verlangt wird, was gegen Gott oder den Glauben geht, dann dürfen wir nicht nur, sondern müssen den Gehorsam (gegen Menschen) ablehnen“, hatte Groß zwei Jahre vor seiner Hinrichtung im Januar 1945 in seiner Glaubenslehre formuliert. Im August 1944 wurde er verhaftet. Die Anklage warf ihm vor, zum Umfeld der Verschwörer des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 gehört zu haben. Asgard Dierichs
Info Das Nikolaus-Groß-Haus am Domplatz 2a in Hattingen-Niederwenigern ist sonntags von 10 bis 12 Uhr sowie für Gruppen nach Vereinbarung geöffnet.