Die Katholische Stadtkirche in Gelsenkirchen hat das Vorgehen der Geschäftführung der insolventen Wellpappe Gelsenkirchen GmbH & Co. als „absolut inakzeptabel und verantwortungslos“ kritisiert. Stadtdechant Propst Markus Pottbäcker und Katholikenratsvorsitzender Klaus A. Hermandung schreiben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme: „Wie so oft, scheint es auch hier nur darum zu gehen die Profitabilität zu verbessern. Es ist unverantwortlich, diesen Standort zu schließen und die qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Regen stehen zu lassen.“
Das zur Palm-Verpackungsgruppe gehörende Unternehmen hatte die 96 Beschäftigten am 31. Oktober von heute auf morgen vor die Tür gesetzt, der Belegschaft und dem Betriebsrat Hausverbot erteilt und Insolvenz angemeldet. Geschäftsführer Dr. Wolfgang Palm begründet die Stilllegung mit dem „hoffnungslos veralteten“ Maschinenpark. Deshalb werde die Packwell GmbH, ein nach eigenen Angaben europaweit führendes Unternehmen der Papierindustrie zu dem auch die Gelsenkirchener Firma gehört, ab sofort keine Produktionsaufträge mehr an ihr Gelsenkirchener Werk vergeben. Gleichzeitig ließ das Mutterunternehmen alle Hinweise auf den Standort Gelsenkirchen von der eigenen Internetseite löschen.
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„Modern, menschlich, verantwortungsbewusst, gilt nicht für Wellpappe Gelsenkirchen“, so Pottbäcker und Hermandung in Anspielung auf die Selbstdarstellung der Palm-Gruppe im Internet. „Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Palm Gruppe für Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein hat und eine vorbildliche Sicherheit bietet. Offensichtlich gilt dieser Slogan nicht für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Gelsenkirchen.“ Von einem Trägers des Bundesverdienstkreuzes, wie es Geschäftsführer Dr. Wolfgang Palm ist, sei „die sofortige Rücknahme des Insolvenzantrags“ zu erwarten.
„Wo bleibt der Wille für eine soziale und wirtschaftliche Verantwortung?“
„Wo bleibt der Wille für eine soziale und wirtschaftliche Verantwortung?“, fragen die Kirchenvertreter, die Papst Franziskus zitieren: „Das Wirtschaftssystem sollte im Dienst des Menschen stehen. Aber wir haben das Geld in den Mittelpunkt gerückt, das Geld als Gott.“ Pottbäcker und Hermandung fordern von der Geschäftsführung „sofortige Gespräche mit dem Betriebsrat und den Beschäftigten aufzunehmen um Perspektiven für das Werk in Gelsenkirchen zu entwickeln.“
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Neben vielen Vertretern aus kommunaler Politik und Gesellschaft hat auch die regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaft WIN Emscher-Lippe in scharfer Form die Art und Weise der Werksschließung verurteilt. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am Mittwoch das Hausverbot aufgehoben. Demnach hat die Arbeitgeberin bis zur Entscheidung im Hauptverfahren dem Betriebsrat zum Zweck der Betriebsratstätigkeit den Zutritt sowohl zum Betriebsratsbüro als auch zum gesamten Betriebsgelände einschließlich aller betrieblichen Räumlichkeiten – mit Ausnahme der Räume der Geschäftsführung und der leitenden Angestellten – zu gestatten. Ebenso darf der Betriebsrat eine auf Freitag, den 11.11.2016, 10.00 Uhr terminierte Betriebsversammlung in der Kantine auf dem Betriebsgelände durchführen. Die Arbeitgeberin hat den Zutritt sowohl des Betriebsrats als auch der Beschäftigten zu gestatten. Für den Fall der Nichtgestattung ist der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 10000 Euro angedroht worden.
Boris Spernol