Papst Franziskus hat sich überraschend von einem seiner ranghöchsten Mitarbeiter getrennt. Wie die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitagabend im Vatikan erfuhr, wird die Amtszeit von Kardinal Gerhard Ludwig Müller (69) als Leiter der Römischen Glaubenskongregation nicht verlängert. Sie endet nach fünf Jahren fristgerecht am Sonntag. Über die Gründe für die Entscheidung von Papst Franziskus wurde zunächst nichts bekannt. Der Vatikan äußerte sich bis Samstagmorgen nicht zu Müller. Nach Informationen der Jesuiten-Zeitschrift „America“ sollen mehrere Kardinäle Franziskus um eine Entlassung des deutschen Kardinals gebeten haben, weil er sich wiederholt öffentlich von päpstlichen Positionen distanziert habe. Müller verdankte seine Ernennung im Jahr 2012 dem damaligen Papst Benedikt XVI. Im Jahr 2014 erhob Franziskus ihn zum Kardinal. Zwischen Müller und Papst Franziskus hatte es in den vergangenen Jahren Meinungsverschiedenheiten in moraltheologischen Fragen gegeben. Zuletzt hatte Müller am 25. Mai in einem Fernseh-Interview die Tatsache kritisiert, dass Franziskus drei Mitarbeiter des Kardinals gegen dessen Willen entlassen hatte.
Müller, ein akademischer Schüler von Kardinal Karl Lehmann, war bis zu seinem Wechsel nach Rom seit 2002 Bischof von Regensburg. Davor lehrte er als Professor für Dogmatik an der Universität München. Medien spekulierten bereits seit einiger Zeit über eine Ablösung des Präfekten. Der deutsche Kardinal spielte im Gegensatz zu seinen Vorgängern im Amt, vor allem dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger, unter Franziskus keine zentrale Rolle.
Offensichtlich wurden gegensätzliche Auffassungen zwischen dem Müller und dem Papst bei der Interpretation des päpstlichen Schreiben „Amoris laeitita“ von 2016. Müller vertrat öffentlich die Auffassung, dass auch nach diesem Dokument der Kommunionempfang für geschiedene Katholiken, die zum zweiten Mal geheiratet haben, nur dann möglich sei, wenn sie in dieser Verbindung sexuell enthaltsam lebten. Der Papst hieß hingegen Interpretationen gut, die einen Kommunionempfang auch ohne eine solche Lebensweise in Einzelfällen gestatteten.
Der am 31. Dezember 1947 im heutigen Mainz-Finthen geborene Müller ist zwar ein Theologe von internationalem Ruf, aber umstritten. Sein Buch „Katholische Dogmatik“ gilt als Standardwerk und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Bereits 1997 berief Papst Johannes Paul II. den Münchener Dogmatik-Professor in die Internationale Theologenkommission, einen Thinktank für Papst und Kurie. Nach seiner Bischofsernennung 2002 wurde er Mitglied der Glaubenskongregation – als einer von nur vier Nicht-Kardinälen. Müller ist zudem Herausgeber der gesammelten Werke Joseph Ratzingers. Mit Müllers Ernennung zum Präfekten der Glaubenskongregation setzte sich Benedikt XVI. damals über Bedenken mancher kirchlichen Würdenträger hinweg, denen Müllers persönliche Freundschaft mit Gustavo Gutierrez (84), dem Vater der Befreiungstheologie, suspekt war.
Ihnen gefallen unsere Themen? Unsere ausführliche Berichterstattung gibt es gedruckt: Hier geht es zum bequemen Print-Abo!
In seiner Zeit in Regensburg galt Müller in der Bischofskonferenz als isoliert, aus Sachkonflikten wurden immer wieder bittere persönliche Streitereien. Wegen seiner Amtsführung und seinen Entscheidungen stand er immer wieder in der Kritik. So wurde in unter seiner Führung ein pädophiler Pfarrer wiedereingesetzt. Müller sah darin keinen Fehler sah, sondern beschuldigte die Medien beschuldigte, ihn in Misskredit bringen zu wollen. Vor seiner Ernennung zum Bischof hatte Müller einen beleidigenden Aufsatz über die Befürworter der Diakonenweihe für Frauen geschrieben.