Essen. „Du sollst deine Kirche nicht abreißen, du sollst sie nicht entsorgen, wenn in absehbarer Zeit (2025) der 100. Jahrestag ihrer Grundsteinlegung gefeiert werden kann (…).“ So lautet das erste Gebot der insgesamt zehn, die Pastor Benno Brengelmann zum Jahreswechsel verkündete. Ebenso setzt er die folgenden Gebote fort: „Du sollst sie nicht zerstören, rückbauen, für unnötig erklären, aufgeben,profanieren, niedermachen, totrechnen, verkaufen …“
Der Wortlaut des Protests gegen den Kirchenabriss hängt nun öffentlich im Schaukasten der Schönebecker Gemeinde an der Kirchenfassade. Doch das Flugblatt verteilte sich an den Neujahrstagen genauso schnell über soziale Netzwerke und Chatgruppen der Gemeindemitglieder. Auch bei Treffen der Verbandsgruppen der Gemeinde wie der Kolpingsfamilie, den Pfadfindern, Messdienern oder der Gemeindejugend wurde der überraschende Protest des Pastor diskutiert.
Denn Brengelmann legt seinen Geboten vor allem das seiner Ansicht nach funktionierende und erfolgreiche Gemeindeleben zugrunde. Es sind vor allem Fakten und Zahlen, mit denen der Pastor zu überzeugen versucht: So seien rund 400 Grundschüler der katholischen Schule des Stadtteils auf die Gottesdienste in St. Antonius Abbas angewiesen und hätten sich mit einer Menschenkette um die Kirche für deren Erhalt eingesetzt. Für 2018 seien 64 Kinder für die Heilige Kommunion angemeldet. In den vergangenen zehn Jahren seien rund 70 Prozent der Erstkommunionkinder auch zum zweiten Empfang des Sakraments und der Buße in die Kirche gekommen.
Überrascht und frustriert
Außerdem seien 80 Prozent der Kindergartenkinder katholisch. Auch den Einsatz der Gemeinde für die Sternsingeraktion hebt Brengelmann hervor, schließlich seien durch den Einsatz der Kinder und Jugendlichen in den vergangenen 15 Jahren rund 260 Tausend Euro zusammengekommen. Vor allem das zehnte Gebot greift auf die Problematik des aktuell laufenden Pfarreienentwicklungsprozesses zurück: „Du sollst deine Kirche aus toten Steinen nicht abreißen, du sollst sie nicht auf C1 setzen, wenn deine Kirche aus lebendigen Steinen sich noch nicht aufgelöst hat.“
Ein Gebot, dass die Kritik der Gemeinde an dem Zukunftsprozess verdeutlicht. Denn bereits beim vergangenen Infoabend zur Zukunftsvision der Pfarrei St. Josef reagierten viele gläubige Schönebecker überrascht und frustriert auf die Entscheidung, ihre Kirche in eine Kategorie zu schieben, die ihren Abriss bedeutet.Denn aktuell sieht der Zukunftsplan, der Bischof Franz-Josef Overbeck vorgelegt wurde, vor, dass von den vier Kirchen der Pfarrei die Hauptkirche St. Josef in Frintrop und St. Franziskus in Bedingrade erhalten bleiben. Geschlossen und in Zukunft umgenutzt werden sollen die Pauluskirche in Gerschede und eben St. Antonius Abbas in Schönebeck. Doch viele Gemeindemitglieder befürchten den kompletten Abriss.
„Reißt du deine Gebäude dennoch ab, dann werden die lebendigen Steine, dann wird deine Gemeinde schneller in viele Richtungen verstreut sein, als du die toten Steine abtransportieren kannst.“
Die zehn Gebote des Schönebecker Pastors haben neben großem Medieninteresse vor allem für erneuten Widerstand gegen den Zukunftsplan der Pfarrei in den Gemeindeverbänden und bei den Gemeindemitgliedern gesorgt. Die Unterstützung des Pastors ist groß. Viele loben seinen Mut zu der öffentlichen und außergewöhnlichen Aktion. In den sozialen Netzwerken des Essener Stadtteils sowie des kirchlichen Fördervereins verteilten die Schönebecker die Medienberichte über die zehn Gebote, riefen in ihren Verbänden zu Leserbriefen auf.
Welche Konsequenzen der Abriss der Kirche in Schönebeck wirklich haben könnte, ist wohl schwer zu prophezeihen. Brengelmann jedenfalls befürchtet im Falle des Abrisses ein eher düsteres Zukunftszenario für seine Gemeinde. So schließt er seine zehn Gebote mit dem Hinweis: „Reißt du deine Gebäude dennoch ab, dann werden die lebendigen Steine, dann wird deine Gemeinde schneller in viele Richtungen verstreut sein, als du die toten Steine abtransportieren kannst.“