Laschet sieht Pläne zum Sonntagsverkauf als „guten Kompromiss“
Zu Islamverbänden sagt NRW-Regierungschef: Kein Ultimatum setzen
Herr Ministerpräsident Laschet, in NRW gibt es Problemzonen im Norden des Ruhrgebiets, die offenbar den Strukturwandel nicht bewältigen. Was tut Ihre Landesregierung, um diese zu sanieren?
Laschet: Die Polizeigewerkschaft hat sogar mal von „No-go-areas“ gesprochen. So etwas dulden wir in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. Es darf hier keine Zonen geben, in denen der Rechtsbruch eine Art akzeptierter Alltag ist. Wir setzen alles daran, den Rechtsstaat in unserem Land durchzusetzen. Da gibt es auch keine falsch verstandene Toleranz. Die Probleme beginnen ja bei normaler Kriminalität, das beginnt mit dem Nutzen von Schrott-Immobilien und Scheinarbeitsverträgen für Südosteuropäer. Und das beginnt mit misslungener Integration, wo man auch die Grenzen des Rechtsstaats aufzeigen muss. Das Zweite ist: Man braucht Arbeitsplätze, gerade auch in der Industrie und auch auf Dauer. Wir brauchen im Ruhrgebiet, aus den Hochschulen heraus, eine neue Innovationskultur, in der neue Arbeitsplätze möglich sind – nicht mit vielen Subventionen, sondern mit einem neuen Gründergeist. Da gibt es viel Potenzial in der Region. Wir entfesseln ja eh unsere Wirtschaft und bauen unnötige Bürokratie ab. Und das Dritte ist, dass wir neue Perspektiven durch bessere Bildung schaffen. Gerade in die schwierigsten Stadtviertel wollen wir die besten Schulen bringen. Der Aufstieg durch Bildung muss möglich sein!
Gibt es da schon ein konkretes Beispiel?
Laschet: Wir haben uns in der NRW-Koalition darauf geeinigt, dass wir in Stadtteilen, wo die sozialen Herausforderungen besonders groß sind, 30 Talent-Schulen mit bester Ausstattung und modernster Infrastruktur einrichten wollen. Diese Schulen sollen dort wie eine Treppe wirken, auf der jeder Einzelnen mit eigenen Anstrengungen den Aufstieg schaffen kann. Bildung ist der Schlüssel dafür, dass Menschen ihr Leben selbstverwirklichen können. Da sind wir jetzt in der Umsetzung.
Sie sprachen von der Durchsetzung des Rechtsstaates. Denken Sie da auch an die Kölner Silvester-Übergriffe von 2015?
Laschet: Die Kölner Silvesternacht 2015 hat viele Menschen verunsichert, weil sie den Eindruck hatten, der Rechtsstaat habe dort nicht funktioniert. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir in diesem Jahr mit einer starken Aufstellung der Polizei unseres Landes und einer Null-Toleranz-Strategie die Lage in Köln gut im Griff hatten, auch im restlichen Nordrhein-Westfalen. Wir unterbinden Rechtsbrüche von Anfang an. Das gehört mit dazu. Ein liberales, tolerantes, auch aus der christlichen Nächstenliebe geprägtes Land mit einer großen Ehrenamtskultur muss Grenzen aufzeigen. Und es muss sie dann notfalls mit polizeilichem Druck durchsetzen. Deshalb stärken wir die Innere Sicherheit weiter und investieren 2018 etwa 170 Millionen Euro mehr.
Eine Folge der Zuwanderung ist der wachsende Anteil von Muslimen, vor allem in den Schulen. Wie wird es in NRW weitergehen mit dem islamischen Religionsunterricht? Das „Beiratsmodell“, das den Muslim-Verbänden ein Mitspracherecht gibt, läuft ja 2019 aus…
Laschet: Unser Staatskirchenrecht ist der Maßstab für das Verhältnis von Staat und Religion. Wir wollen Religion im öffentlichen Raum haben, in der Militärseelsorge, in der Krankenhausseelsorge, in der Kita-Landschaft, in den Schulen und auch im Religionsunterricht. Aber der Islam ist nicht mit einer Institution wie den christlichen Kirchen vergleichbar. Und deshalb hat Wolfgang Schäuble 2006 die Deutsche Islamkonferenz gestartet, mit dem Ziel, eine Lösung zu finden für all diese Bereiche. Das betrifft nicht nur die Schule, sondern auch die Sozialpolitik, das Engagement der Religionsgemeinschaft für Bedürftige und so weiter. Und das ist mühsam. Derzeit ist es politisch überlagert durch die Situation in der Türkei. Aber man muss auf diesem Weg weiter gehen. Und das Beiratsmodell ist so eine Übergangsgeschichte, bis dann die Religionsgemeinschaften wirklich gegründet sind.
Müsste der Staat nicht den islamischen Religionsgemeinschaften ein Ultimatum setzen?
Laschet: Nein, das kann er nicht. Der Staat hat ein Interesse daran, dass es islamischen Religionsunterricht gibt, übrigens insbesondere die Kirchen drängen sehr darauf. Denn wenn der islamische Religionsunterricht nicht kommt, wird irgendwann auch der christliche infrage gestellt. Und das Staatskirchenrecht kennt solche Ultimaten auch nicht. Wenn am Tag X eine Religionsgemeinschaft entsteht, muss sie nach dem Grundgesetz auch zugelassen werden für den Religionsunterricht. Da sind wir aber noch nicht. Wir sind in einer Übergangsphase. Aber es ist gut, wenn die Kinder einen mit dem Grundgesetz vereinbarten Islam in der Schule lernen und nicht den Islam der Hinterhofmoscheen.
Ein Thema, das die Kirchen in NRW etwas umtreibt, sind die verkaufsoffenen Sonntage. Die FDP will acht statt bislang vier zulassen. Wie stehen Sie dazu?
Laschet: Das Problem bislang besteht ja nicht in den verkaufsoffenen Sonntagen, sondern in der großen Rechtsunsicherheit, die die Vorgängerregierung geschaffen hat. Jede Stadt, die einen verkaufsoffenen Sonntag genehmigt, riskiert Klagen, die mal so und mal so ausgehen. Ich glaube, dass die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten mit strengen Ausnahmeregelungen richtig ist, solange der Sonntagsschutz prinzipiell erhalten bleibt. Denn wir sehen ja, dass sich die Kaufgewohnheiten der Menschen auch geändert haben. Es wird mehr online gekauft, oder mal nach Belgien oder in die Niederlande gefahren. Wenn man auf Dauer lebenswerte Innenstädte haben möchte, in denen auch noch Einzelhandel vertreten ist, muss man mehr Möglichkeiten eröffnen – allerdings mit Augenmaß. Wir haben hier einen guten Kompromiss gefunden und wollen jetzt klare Regeln schaffen, die den Kommunen, den Beschäftigen und dem Handel mehr Sicherheit geben.