Die Debatte um den bayerischen Kabinettsbeschluss zu Kreuzen in Amtsstuben hält weiter an. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder verteidigte den Beschluss. Der Kreuz sei „in erster Linie ein religiöses Symbol“, gehöre aber auch zu den Grundfesten des Staates, sagte er den ARD-Tagesthemen am Donnerstagabend. Er wundere sich, „dass wir über Toleranz für andere Religionen reden und uns nicht trauen, zu unserer eigenen Religion zu stehen.“ Für Söder ist das Kreuz dabei nicht Zeichen einer Religion, sondern Symbol „unserer bayerischen Identität und Lebensart“. „Ich widerspreche ihm da sehr deutlich“, sagt Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, in einem Interview dem Radiosender WDR 2: „Natürlich ist das Kreuz für mich als Christ ein zutiefst religiöses Symbol.“
Der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier hält eine Verfassungsklage gegen den bayerischen Kabinettsbeschluss zu Kreuzen in Amtsstuben für wahrscheinlich. „Es würde mich wundern, wenn die Sache nicht vor Gericht landet“, sagte Dreier im Interview der Würzburger „Main-Post“ (Donnerstag). Er selbst halte den Beschluss „rechts- und integrationspolitisch für ein verheerendes Signal und verfassungsrechtlich für mindestens sehr heikel“. Kritiker monieren zudem die Argumentation von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), das Kreuz sei ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland.
Dreier hält Söders Äußerung für „historisch falsch“. Die christlichen Kirchen hätten sich mit zentralen verfassungsrechtlichen Ideen von Demokratie und Menschenrechten erst nach dem Zweiten Weltkrieg angefreundet – nicht 1.900 Jahre davor. „Wenn ich Bezug nehmen will auf die freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Gehalte des Grundgesetzes, dann könnte ich dessen zentrale Sätze überall in die Eingangsbereiche staatlicher Behörden hängen“, so der Staatsrechtler. Artikel 1 und 20 würden sich förmlich aufdrängen. „Das sind die Werte, auf denen unsere Verfassungsordnung beruht.“
CSU-Generalsekretär Markus Blume attackierte die Kritiker der Regelung. „Wer ein Kreuz aufhängt, legt damit ein Bekenntnis ab und muss sich nicht rechtfertigen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Freitag). „Bei den Kritikern haben wir es mit einer unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern zu tun.“ Dem widersprachen die Grünen. Blumes Vorwurf sei „geprägt von Intoleranz und Kulturchauvinismus“, erklärten die Bundestags-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der stellvertretender Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz. Die CSU habe das christliche Symbol „zum Gegenstand eines billigen Wahlkampfmanövers“ gemacht.
Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) erklärte, der Staat dürfe nicht für eine bestimmte Religion oder Weltanschauung Partei ergreifen. Das Kreuz zu einem „bloßen Kultursymbol umzudefinieren ist abwegig“, so der IBKA-Vorsitzende Rene Hartmann. Der frühere bayerische Kultusminister Hans Maier (CSU) sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), es wäre besser gewesen, „alle bei uns lebenden Religionen zur Verständigung und zur Zusammenarbeit aufzurufen“, statt Andersgläubige durch Symbolpolitik auszugrenzen. Alle sollten sich zu ihrem Glauben bekennen und diesen in der Öffentlichkeit vertreten. „Das käme auch der Politik und nicht zuletzt dem Freistaat Bayern zugute“, so der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Söder macht durch die Kreuz-Pflicht nach den Worten der Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer das christliche Symbol zum „Logo für Bayern“. „Er verfehlt damit völlig den Sinn. Das Kreuz lässt sich nicht auf eine Werteordnung reduzieren“, sagte die Freiburger Professorin dem Deutschlandfunk. Söder instrumentalisiere das Zeichen und verfehle den Signalgehalt des Kreuzes sowie dessen christliche Botschaft.
Am Dienstag hatte das bayerische Kabinett beschlossen, ab 1. Juni im Eingangsbereich von Dienstgebäuden ein Kreuz als „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland“ aufzuhängen.