Katholische Kirche mit mehr Austritten – und mehr Eintritten

Erstmals seit 2014 hat die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche wieder leicht zugenommen. Im vergangenen Jahr kehrten 167.504 Katholiken ihrer Kirche den Rücken, das waren 5.411 mehr als 2016 (162.093), wie die Deutsche Bischofskonferenz am Freitag in Bonn mitteilte. Damit liegen die Zahlen weiterhin auf hohem Niveau, bleiben aber weit entfernt vom bisherigen Negativrekord, der 2014 mit 217.716 Austritten erreicht wurde.

(Foto: Jens Albers | Bistum Essen)

Bundesweit hatte die katholische Kirche 2017 rund 23,3 Millionen Mitglieder, was 28,2 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland entspricht. 2016 lag der Anteil bei 28,5 Prozent. Einen Zuwachs verzeichnete die katholische Kirche im vergangenen Jahr bei den Eintritten und den Wiederaufnahmen: 2017 traten 2.647 Menschen neu in die katholische Kirche ein; 2016 waren es 2.574. Zu ihrer Kirche zurück kehrten 6.685 Katholiken, 2016 lag diese Zahl bei 6.461.

Weitgehend stabil blieb nach Angaben der Bischofskonferenz der Sakramentenempfang. So lagen die Taufzahlen 2017 bei 169.751 (2016: 171.531) und die der Bestattungen bei 243.824 (2016: 243.323). Leicht zugenommen habe die Zahl der Erstkommunionfeiern auf 178.045 (2016: 176.297). Leicht zurückgegangen dagegen ist der Gottesdienstbesuch – von 10,2 Prozent in 2016 auf 9,8 Prozent: 2017 besuchten damit im Schnitt 2,3 Millionen Katholiken am Wochenende einen Gottesdienst. Rückläufig ist auch die Zahl der Seelsorger. Für 2017 erfasste die Statistik 13.560 Priester, im Jahr zuvor waren es 13.856. Dagegen stieg die Zahl der Diakone sowie der Pastoral- und Gemeindereferenten leicht an.

„Die Zahlen zeigen insgesamt, dass wir als Kirche in einer Welt der Individualisierung, der pluralen Religiosität – in einer Welt des Umbruchs – leben“, erklärte der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer. „Wir müssen neue Wege finden, wie wir Menschen erreichen, sie begleiten und ihnen nah sein können.“ Die Zahl der Kirchenaustritte nannte Langendörfer schmerzlich. Trotzdem gebe es „ein großes Potenzial der Gemeinschaft“. Das habe nicht zuletzt der Katholikentag in Münster im Mai diesen Jahres gezeigt.

Nach Einschätzung des Präsidenten des Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, ist die anhaltende Zahl von Kirchenaustritten mit „längeren Entfremdungsprozessen“ zu erklären. „Jeder einzelne Fall ist natürlich verhängnisvoll“, sagte Sternberg der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). Dennoch sei es nicht ganz so, „dass uns die Mitglieder in Scharen davonlaufen“, beschwichtigte er.

Viele Menschen fragten sich, warum sie Kirchensteuer zahlen sollten, wenn sie schon lange nichts mehr mit der Kirche zu tun hätten, so Sternberg. Doch sei die Kirchensteuer nicht der wichtigste Punkt für die Austritte. „Es gibt heute keinen sozialen Druck mehr, Kirchenmitglied zu sein“, erklärte der Chef der obersten katholischen Laienvertretung.

„als ginge es um Stahlquoten. Dabei geht es hier um Menschen“

Mit Blick auf die Migrationsdebatte beklagte Sternberg, dass Medien wie auch Parteien das Thema mitunter so behandelten, „als ginge es um Stahlquoten. Dabei geht es hier um Menschen“. Er sei „erschüttert, dass zwar ein ganzes Land um die Rettung von elf Jungen in einer philippinischen Höhle zittert, aber gleichzeitig die Frage von Ertrinkenden im Mittelmeer so wenig Empathie findet“.

Nach der Ankündigung Italiens, nun auch Migranten abzuweisen, die von Schiffen der EU-Mission „Sophia“ im Mittelmeer gerettet werden, verwies Sternberg auf Erklärungen der Italienischen Bischofskonferenz. Diese habe klargestellt, „dass es hier um eine grundsätzliche Frage der Humanität geht“, so der ZdK-Chef. „Wir können aus Europa keinen umzäunten Wohnbezirk machen, so wie die Reichen sich in manchen Ländern von den Armenvierteln abgrenzen.“ Man müsse über faire Handelsbedingungen, Entwicklungspolitik, Fluchtursachen sprechen sowie die Kriege in Syrien und im Jemen bekämpfen, hob Sternberg hervor.

größere Zahl verstorbener Katholiken

„Wie wichtig es ist, dass wir als Kirche gerade an den besonderen Momenten im Leben qualitativ hochwertige und individuell ansprechende Gottesdienste und andere seelsorgerische Kontakte anbieten, zeigt auch unsere Kirchenaustrittsstudie auf“, betonte Essens Generalvikar Klaus Pfeffer. Gleichzeitig müssten das Bistum und die Pfarreien künftig allerdings noch mehr Wert auf die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen legen. Denn während die Gesamtzahl der Kirchenaustritte mit 4372 in etwa konstant geblieben ist, hat der Anteil der jungen Erwachsenen unter den Ausgetretenen im vergangenen Jahr erneut zugelegt.

Neben den Austritten ist vor allem die deutlich größere Zahl verstorbener Katholiken im Vergleich zu den neu Getauften dafür verantwortlich, dass die Gesamtzahl der Katholiken im vergangenen Jahr unter dem Strich um 10.456 auf 771.997 gesunken ist.

Die Zahl der Trauungen ist unterdessen um rund 5 Prozent in den katholischen Kirchen an Rhein, Ruhr und Lenne im vergangenen Jahr auf insgesamt 1160 Hochzeitsfeste gestiegen. Auch bei den Erstkommunionfeiern (5144) und Firmungen (2835) konnten sich die Pfarreien über eine Steigerung von jeweils gut 2 Prozent freuen, während die Zahl der Taufen mit 5029 zumindest konstant blieb. Dies geht aus der kirchlichen Jahresstatistik für 2017 hervor, die das Bistum Essen heute veröffentlicht hat.

„Die Menschen suchen die Nähe der Kirche, gerade wenn sich etwas Entscheidendes in ihrem Leben tut“, kommentierte Pfeffer die Zahlen. „Insbesondere an diesen Lebenswenden sind berührende Gottesdienste gefragt, aber auch eine einfühlsame Begleitung auf dem Weg hin zu diesen besonderen Tagen.“ Dies werde auch bei den neuen Segensfeiern für Neugeborene deutlich, die in der Statistik nicht erfasst werden: Wenn Familien an derzeit vier Orten im Ruhrbistum zu diesen besonderen Gottesdiensten eingeladen werden, um gemeinsam die Geburt ihres Kindes zu feiern und ihre Familie segnen zu lassen, sind die Kirchen stets gut gefüllt.

Hier – wie auch beim Thema Trauungen – zeigt sich nach Ansicht Pfeffers, dass die Zukunftsbild-Projekte des Bistums Essen wirken. Neben den Baby-Segnungsgottesdiensten hat das Bistum in diesem Kontext auch sein Trauteam auf den Weg gebracht: Paare, die keinen Kontakt zu einer Gemeinde vor Ort haben, können dieses Team über eine Internetseite erreichen und so unkompliziert eine katholische Trauung organisieren.

kna/rwm