Heiner Wilmer will auch als Oberhirte nah bei den Menschen sein.
Als sich Heiner Wilmer im vollen Ornat erstmals auf den Bischofsstuhl setzt, brandet Applaus auf im vollbesetzten Hildesheimer Mariendom. Mehrere Tausend Menschen sind gekommen, um an diesem Samstagvormittag bei der Weihe des 57-jährigen Ordenspriesters zum 71. Bischof von Hildesheim dabei zu sein. Trotz der knapp vierstündigen Zeremonie sind viele von der Feier begeistert – und das liegt vor allem an der Person Wilmers. Er wirkt locker und jugendlich und versteht es, die Menschen mitzureißen. Dass er in seiner Ansprache am Ende des Gottesdienstes Mitbrüder in vier Sprachen begrüßt, zeugt von seiner Weltoffenheit. Dass er zudem noch auf Plattdeutsch – seiner „Muttersprache“ – erzählt, wie er zur Überraschung des Domkapitels Fassbier für den anschließenden Empfang bestellt hat, macht ihn zugleich sympathisch.
Aufgewachsen im emsländischen 2.400-Einwohner-Dorf Schapen, machte Wilmer sein Abitur 1980 am Leoninum in Handrup, einem Gymnasium in Trägerschaft des Dehonianer-Ordens, auch bekannt als Herz-Jesu-Priester. Als 19-Jähriger trat er in die Gemeinschaft ein, studierte Theologie in Freiburg sowie Romanistik in Paris. 1987 zum Priester geweiht, ging er im Anschluss nach Rom an die Päpstliche Universität Gregoriana, um dort Französische Philosophie zu studieren. Dann wollte Wilmer Lehrer werden, schloss an die Promotion in Theologie ein Lehramtsstudium in Geschichte an. In dieser Zeit arbeitete er vier Monate als Seelsorger in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung im kanadischen Toronto. 1997 ging er in die Klassenzimmer der New Yorker Bronx. Dort unterrichtete er an einer Jesuiten-Highschool Deutsch und Geschichte. Nach seiner Rückkehr wurde Wilmer Schulleiter des ordenseigenen Gymnasiums in Handrup im Emsland.
2007 wurde er zunächst Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dehonianer, 2015 wechselte er als Generaloberer nach Rom. In dieser Funktion war der sprachgewandte Ordensmann weltweit viel unterwegs. Er erlebte, wie ganz anders als hierzulande Menschen oft leben müssen und wie sie glauben können. Wie schwer Letzteres bisweilen ist, weiß Wilmer. In seinem 2013 erschienenen Buch „Gott ist nicht nett“ beschreibt er auch eigene Glaubenszweifel. Keinen Zweifel lässt der neue Bischof daran, dass er als Oberhirte auch schwierige Themen anpacken will. Mit Hildesheim übernimmt er das flächenmäßig zweitgrößte Bistum in Deutschland. Die rund 610.000 Katholiken zwischen Harz und Nordseeküste leben weit verstreut. Umbrüche wie schwindende Mitgliederzahlen und sinkende Kirchensteuereinnahmen, mit denen die Kirche in ganz Deutschland zu kämpfen hat, machen sich hier besonders schnell bemerkbar. „Schwerstes und bitterstes Thema ist für mich der Zusammenhang von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch in der Kirche“, sagt Wilmer im Weihegottesdienst. „Diesem Thema werde ich mich von Anfang an mit aller Kraft widmen.“
Schon vor seiner Amtseinführung hatte Wilmer deutlich gemacht, dass er sich als Bischof nicht in sein Büro zurückziehen, sondern nah bei den Menschen sein will. In Sportjacke und Turnschuhen pilgerte in den vergangenen Wochen mit Jugendlichen durch sein neues Bistum. „Sie sollen mir sagen, wie ich Bischof sein soll“, lautete sein Aufruf. Sie gaben ihm unter anderem mit auf dem Weg, ansprechendere Gottesdienstformen zu schaffen und die Kirche für die moderne Gesellschaft zu öffnen. „Was mich persönlich betrifft, so sagten sie mir: Heben Sie nicht ab. Bleiben Sie normal, denn auch als Bischof bleibt man Mensch.“ Als Wilmer diese Worte im Gottesdienst spricht, bekommt er erneut Applaus.
Von Michael Althaus (KNA)114