Neuer Juniorprofessor an der Bochumer Ruhr-Uni nimmt die Geschichte von den Anfängen des Essener Frauenstifts bis zu den Zukunftsbild-Projekten des Ruhrbistums in den Blick. Bistum finanziert zwei Drittel der Stelle.
Wenn am kommenden Dienstag um kurz nach zwei rund 50 junge Leute in den Bochumer Hörsaal HGA 20 strömen, wird es für Florian Bock ernst. „Einführung in die Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit“ steht für die Erst- und Zweitsemester der katholischen Theologie auf dem Programm – und Bock als frisch ernannter Junior-Professor erstmals als Lehrstuhlinhaber vorn am Pult. Vor wenigen Jahren hat der heute 35-Jährige noch selbst die Hörsaal-Bänke der Ruhr-Universität gedrückt, nun kehrt der junge Wissenschaftler nach Stationen in Tübingen und Eichstätt zurück ins Ruhrgebiet, um die Geschichte der Kirche in dieser Region zu erforschen und seinen Studenten, aber auch der Öffentlichkeit davon zu erzählen.
Bock ist der erste Inhaber der neu geschaffenen Juniorprofessur für die Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, die insbesondere die Zeitgeschichte und die Geschichte des Bistums Essen in den Blick nehmen soll. Das Ruhrbistum hat Bocks Stelle gemeinsam mit der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Uni eingerichtet – und finanziert sie zu zwei Dritteln. Der Essener knüpft damit an die Arbeit des 1976 vom ersten Ruhrbischof Franz Hengsbach gegründeten und gut 40 Jahre tätigen Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen an. „Von den wertvollen Veröffentlichungen des IKF werde ich auf jeden Fall profitieren“, erwartet Bock.
Egal, ob im Hörsaal oder im Gespräch mit Journalisten: Der junge Kirchenhistoriker möchte sein Gegenüber davon überzeugen, dass sein Fach alles andere ist als eine verstaubte Ansammlung von Jahreszahlen und Ereignissen. „Da weiß ich mich in der Tradition der Kirchengeschichte hier an der Ruhr-Uni“, sagt Bock. Und doch weiß er auch, dass die Historische Theologie noch vor nicht allzu langer Zeit bei Umfragen unter Schülern im Religionsunterricht eher schlechte Noten bekommen hat. Bock wappnet sich also, dass die Studenten, die sich dennoch für ein Theologiestudium entschieden haben, ab Dienstag vielleicht noch ein paar Motivationsspritzen gebrauchen können.
„Ich mache nicht so sehr Kirchengeschichte der großen Männer“
„Ich mache nicht so sehr Kirchengeschichte der großen Männer“, erklärt Bock – und meint damit nicht nur die 1000-jährige Ära des Essener Frauenstifts. „Ich schaue eher auf die Strukturen von unten“, betont er und hofft, damit auch bei den Studenten und der Öffentlichkeit zu punkten. Erst recht, wenn er aus der Geschichte, die im Ruhrgebiet ja oft noch nicht allzu lange vorbei ist, Bezüge in die Gegenwart ziehen kann – wie bei den aktuellen Zukunftsbild-Projekten des Ruhrbistums: „,Wie engagiere wir uns für die Mensch im Viertel?‘“, zitiert Bock die Überschrift des Projekts, das in Gemeinden caritative Angebote starten will.
„Diese Frage haben sich Katholiken im Ruhrgebiet auch schon vor 150 Jahren gestellt“, sagt Bock. Und wo heute Bistum und Pfarreien Strukturen für ehrenamtliches Engagement schaffen, entstand damals das katholische Vereinswesen: „Rund 2000 Mitglieder verschiedenster katholischer Vereine hat Ende des 19. Jahrhunderts allein die Duisburger Pfarrei Liebfrauenverzeichnet“, weiß der Kirchenhistoriker. Transfers wie diese liegen Bock am Herzen – und sind hier angesichts einer mehr als 1000 Jahre alten Essener Stifts-, einer rund 200-jährigen Industrie- und einer 60-jährigen Bistumsgeschichte vielleicht eher möglich als anderswo. „Für mich und meine Arbeit ist das hier genau der richtige Ort“, sagt Bock. „In dieser Region und diesem Bistum passiert gerade so unglaublich viel – da ist es toll, mitten drin zu sein und Bezüge aus der Geschichte bis in die Gegenwart ziehen zu können.“
„Ketten der Erinnerung“ weitergeben
Und das will Bock in Zukunft nicht nur allein und im Kreis seiner Professoren-Kollegen an der Katholisch-Theologischen Fakultät tun. Bock möchte die Lehre und Forschung eng mit anderen Institutionen im Ruhrgebiet und der Öffentlichkeit vernetzen und zum Beispiel mit dem Archiv des Ruhrbistums und den Schatzkammern am Essener Dom und in Essen-Werden eng zusammenarbeiten. Es gehe darum „Ketten der Erinnerung“ weiterzugeben, sagt Bock. Wenn selbst Theologie-Studenten immer weniger Vorwissen über die Kirche mit an die Uni bringen will Bock „Türöffner“ sein – in eine Geschichte, die im Ruhrbistum bis in die Zukunft reicht.