Katholikenkomitee fordert Reformen in Kirche – Pläne für Umzug

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) fordert grundlegende Reformen in der Kirche. Mit Blick auf die Debatte über die Aufklärung sexuellen Missbrauchs betonte ZdK-Präsident Thomas Sternberg, es sei dringend Zeit zum Handeln. Zum Abschluss der Vollversammlung in Bonn beriet das höchste Gremium der katholischen Laien am Samstag über den künftigen Sitz des Generalsekretariates. Bis zum Frühjahr soll die Entscheidung fallen, ob das ZdK in Bonn bleibt oder nach Berlin zieht.

ZdL-Präsident Prof. Thomas Sternberg.
Foto: Spernol

Mit großer Mehrheit verabschiedete die Vollversammlung eine Erklärung, die sich dafür ausspricht, Frauen den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu gewähren, die verpflichtende Ehelosigkeit für Priester abzuschaffen und die kirchliche Sexualmoral grundlegend zu überarbeiten.

Bereits zuvor hatte Sternberg eine unabhängige Kommission angemahnt, die die Präventionsarbeit der 27 Bistümer kontrollieren und vereinheitlichen könne. Die sogenannte Gemeinsame Konferenz aus Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK solle ein solches Gremium aus Frauen und Männern wählen, die nicht in einem kirchlichen Anstellungsverhältnis stehen.

Nach den Worten des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki hat Kirche es immer schwerer, in der Gesellschaft Gehör zu finden. Schuld daran sei nicht zuletzt der Missbrauchsskandal. Umso wichtiger sei es, die Taten möglichst rückhaltlos aufzuarbeiten und den Opfern so viel Gerechtigkeit widerfahren zu lassen wie jetzt noch möglich sei.

Das Thema sorge für Spannungen unter den Bischöfen, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Über den weiteren Kurs gebe es unterschiedliche Ansichten. Auch Heße betonte, es seien weitere Maßnahmen notwendig, um die Aufarbeitung voranzutreiben.

Die Kirche stehe an einem Scheideweg, mahnte Jesuit Klaus Mertes, der als damaliger Leiter des Berliner Canisius-Kollegs 2010 Fälle von Missbrauch in kirchlichen Schulen publik machte. Die zentrale Frage müsse lauten: „Was hören wir von den Betroffenen – und was brauchen sie?“. Dazu sei unter anderem das bisherige Verfahren der „Anerkennungszahlungen“ zu prüfen. Ein besserer Zugang zu Akten gehöre ebenfalls dazu. Hilfreich seien zudem „bundesweite, unabhängige und niedrigschwellige Anlaufstellen“.

Scharfe Kritik übte Mertes an Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Im Interview mit dem Portal katholisch.de kritisierte er Aussagen Müllers als „zum Dogma geronnene klerikale Dünkel“. Dieser Dünkel sei ein Schlüssel zum Gesamtproblem Missbrauch. Müller hatte am Mittwoch im Interview der kanadischen Internetseite LifeSite-News gesagt, Bischöfe, die Missbrauch vertuscht hätten, könnten innerkirchlich nicht durch Laien gerichtet werden. Bei der Aufarbeitung von Missbrauch müsse sich die Kirche zudem mit der praktizierten Homosexualität in den Reihen des Klerus befassen.

Zu den gesellschaftspolitischen Themen, mit denen sich die Vollversammlung befasste, zählten unter anderem der Umgang mit dem wachsenden Populismus. Sternberg warnte vor der Zulassung eines Bluttests auf Trisomie 21 während der Schwangerschaft. Diese würden ein „Schritt hin zur Vermessung des Menschen sein, wobei der Maßstab nicht die Menschenwürde, sondern das Vorhandensein der erwünschten Eigenschaften und die Nützlichkeit ist“.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken will im Frühjahr über einen möglichen Umzug nach Berlin entscheiden. Die Vollversammlung des bisher in Bonn ansässigen höchsten Gremiums der katholischen Laien in Deutschland beauftragte am Samstag das Präsidium und den Hauptausschuss, bis Mai 2019 eine „entscheidungsreife Vorlage“ zu erarbeiten.

Geprüft werden sollen sowohl die Voraussetzungen für einen Umzug nach Berlin zum Jahreswechsel 2021/22 als auch Optionen für einen Verbleib in Bonn. Zu klären sind unter anderem finanzielle Fragen. Außerdem forderte die Vollversammlung ein Konzept für die künftige Arbeit des ZdK. Präsident Thomas Sternberg hatte zuvor für die Verlegung des Generalsekretariates nach Berlin geworben. Dafür erhielt er viel Rückhalt im Plenum.

Seit seiner Neugründung in den 1950er-Jahren ist das ZdK in Bonn ansässig. Betroffen von einem Umzug wären rund 30 Mitarbeiter. Zur Begründung für den Schritt wird eine größere Nähe zu politischen Entscheidungsträgern genannt. Außerdem gestalte sich der Zugang zur Presse und sonstigen Medien in der Hauptstadt „erheblich leichter“ als in Bonn. Davon abgesehen sei Berlin mit mehr als 300.000 Katholiken nach Köln und München die „drittgrößte katholische Stadt Deutschlands“.

Für den Schritt spreche auch der sanierungsbedürftige Zustand der ZdK-Gebäude in Bonn, hieß es. In Berlin-Mitte eröffne sich die Gelegenheit, in der Nähe der Friedrichstraße zu günstigen Konditionen einen Neubau zu beziehen. Um allerdings das Projekt „Haus des ZdK und der Verbände“ zu realisieren, bedürfe es einer verbindlichen Entscheidung im Laufe des kommenden Jahres. Die Mietkosten könnten „zu einem wesentlichen Teil durch Erbpachteinkünfte aus der Abgabe der bisherigen Liegenschaft des ZdK“ aufgebracht werden.

Diskussionen über einen Umzug des ZdK gibt es seit den 1990er-Jahren. Befürworter eines Verbleibs in Bonn verweisen unter anderem darauf, dass auch das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz seinen Sitz in der Stadt hat. Hier sei ein Umzug nach Berlin „kein Thema“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

Unterdesen findet der 102. Deutsche Katholikentag definitiv in Stuttgart statt. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nahm am Samstag auf seiner Herbstvollversammlung in Bonn die von Bischof Gebhard Fürst und Diözesanrats-Sprecher Johannes Warmbrunn ausgesprochene Einladung einstimmig an.

Das ZdK veranstaltet die in der Regel alle zwei Jahre stattfindenden Katholikentage. 2021 wird es zum dritten Mal einen von beiden Kirchen organisierten Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt geben.

Die Debatte über einen Antrag zu einem Europäischen Katholikentag vertagte die Vollversammlung. Zur Begründung wurde unter anderem darauf verwiesen, dass es bereits Pläne für einen Europäischen Kirchentag auf ökumenischer Ebene gebe. Diese Initiative wird unter anderen von dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold getragen.

kna/rwm