Mehr kritisches Geschichtsbewusstsein wünscht sich der Jenaer Zeithistoriker Norbert Frei. „Ein Erinnern, das ohne fundiertes historisch-kritisches Wissen auszukommen glaubt, wird den Herausforderungen von rechts nicht standhalten“, schreibt der Wissenschaftler in der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag). Der gesellschaftliche Rückhalt für die Erinnerungskultur nehme jedoch ab.
So frage er sich, so Frei weiter, wie viele Menschen die Rede von Saul Friedländer zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag im Bundestag tatsächlich gehört hätten. Die Worte des Holocaust-Überlebenden und Historikers Friedländer seien bewegend gewesen, schreibt Frei. Doch: „Wie viele haben den Zeitungsbericht überblättert, weggeklickt, in ihrer digitalen Blase ohnehin nichts mitbekommen oder sich gar belästigt gefühlt?“
Heute könnten die Menschen indes viel über den Holocaust wissen, betont Frei – mehr etwa als zu Zeiten der Serie „Holocaust“ (1978), die „den Mord an den Juden Europas einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führte – vor 40 Jahren erst“.