Bischof Overbeck fordert Stärkung proeuropäischer Kräfte

Der Vizepräsident der EU-Bischofskommission COMECE, Franz-Josef Overbeck (54), hat sich für eine Stärkung von Parteien ausgesprochen, die sich zur europäischen Idee bekennen. Mit Blick auf die Europawahl im Mai betonte er, nur gemeinsam könnten Europäer „bedeutende Akzente“ in der Welt setzen. „Viele unserer kulturellen, sozialen und ökonomischen Probleme lassen sich in einer globalisierten Welt nicht mehr national lösen“, sagte Overbeck im Interview, Allein an den Verbindungen mit den Wirtschaftsmächten in Asien und Amerika werde deutlich, dass die Herausforderungen der Zukunft nur europäisch vernetzt bestanden werden könnten.

(Foto: Bistum Essen)

Overbeck rief auch dazu auf, Heimat europäisch zu denken. Mit Blick auf die Lebensqualität bewähre sich eine europäische Demokratie „am besten“, wenn sie angesichts der Globalisierung und Digitalisierung Lösungen für die Fragen der Menschen vor Ort finde und politisch auch dort umsetze. „Viele europäische Perspektiven sind den Menschen vor Ort mit ihren Nöten und Sorgen eher fern“, so der Bischof. Deshalb sollte das Verständnis von Heimat nicht ausschließlich lokal definiert werden.

Herr Bischof, brauchen wir in Zukunft mehr oder weniger Europa?

Overbeck: Diese Frage steht in einem direkten Zusammenhang mit der weltpolitischen Lage. Global werden wir in Zukunft nur gemeinsam als Europäerinnen und Europäer bedeutende Akzente setzen können. Viele unserer kulturellen, sozialen und ökonomischen Probleme lassen sich in einer globalisierten Welt nicht mehr national lösen. Wenn man allein an die Verbindungen mit den Wirtschaftsmächten in Asien und Amerika denkt, wird deutlich, dass wir die Herausforderungen der Zukunft nur europäisch vernetzt bestehen können. Deshalb wünsche ich mir in sozialer, kultureller und ökonomischer Hinsicht ein wachsendes Bewusstsein für die europäische Idee.

Welche Ziele sollte die EU Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren verstärkt verfolgen?

Overbeck: Demokratische und wirtschaftliche Grundsätze alleine schaffen kein europäisches Bewusstsein. Für das Ziel, eine verbindende und starke europäische Identität auszubilden, muss sich die politische Union vor allem sozial und kulturell entwickeln. Wir tragen gemeinsam eine soziale Verantwortung für die Menschen am Rande der Gesellschaft. Angefangen beim Kinderschutz bis hin zur Versorgung kranker und alter Menschen könnte der Standard in der EU noch höher liegen. Die Voraussetzungen in Deutschland sind diesbezüglich besser als in vielen anderen europäischen Ländern. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn vor allem der Wert der Demokratie als solcher deutlich gemacht wird. Dazu gehört ganz grundlegend die Gewissheit, dass Menschenrechte unverhandelbar sind.

Im Hinblick auf die Lebensqualität bewährt sich eine europäische Demokratie am besten, wenn sie angesichts der Globalisierung und Digitalisierung Lösungen für die Fragen der Menschen vor Ort findet und politisch dort auch umsetzt. Viele europäische Perspektiven sind den Menschen vor Ort mit ihren Nöten und Sorgen eher fern. Wir sollten unser Verständnis von Heimat deshalb aber nicht ausschließlich lokal definieren. Ein wachsendes Bewusstsein für die europäische Idee bedeutet heutzutage auch, Heimat europäisch zu denken. Die Reisefreiheit ermöglicht es, dass ganz viele Menschen das bereits ganz selbstverständlich tun.

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Wie sollte die Kirche nationalistischen und populistischen Tendenzen in Europa begegnen?

Overbeck: Es ist klug und geboten, besonders die Kräfte zu fördern, die die Errungenschaften eines Europas, das sich demokratisch versteht, schützen und entwickeln wollen. Mit Blick auf die Europawahlen sollte die katholische Kirche durch ihre Positionierung Parteien stärken, die sich eindeutig zur europäischen Idee bekennen. Europa ist nur auf der Grundlage eines christlichen Erbes zu verstehen und zu leben. Es ist falsch, das kleinzureden, was die EU insgesamt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beigetragen hat. Die Deutungshoheit darüber darf auch nicht den schwarzsehenden Populisten überlassen werden, die unser gemeinsames christliches Erbe für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Ende März hat die Vollversammlung der EU-Bischofskommission COMECE getagt. Sollte die COMECE nun vor der Europawahl bei der EU-Flüchtlingspolitik klarer Stellung beziehen?

Overbeck: In der COMECE sind die Bischofskonferenzen aller 28 EU-Mitgliedstaaten vertreten. Wir müssen unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen, was mitunter eine Herausforderung darstellt. Die politischen Konzepte und das Verhältnis von Kirche und Staat sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Das gilt auch für die Traditionen, wie sich Kirche in die Politik einbringt. In Deutschland sind wir es gewohnt, als Kirche Stellung zu beziehen. Das ist in anderen Ländern überhaupt nicht der Fall und wird diesem Selbstverständnis nach auch auf der europäischen Ebene eher als unangemessen empfunden. Wie deutlich eine gemeinsame Positionierung ausfallen kann, bleibt daher themen- und kontextabhängig.

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Wie gehen Sie mit den unterschiedlichen Positionen west- und osteuropäischer Bischofskonferenzen bei bestimmten Themen um?

Overbeck: In der Tat gibt es einen Konflikt verschiedener Positionen, den wir nicht einfach übergehen können, sondern aushalten und so produktiv wie möglich gestalten müssen. Dabei gilt es darauf zu achten, diejenigen zu fördern und zu unterstützen, die gut vermittelbare Kompromisse entwickeln. Natürlich kommt es vor, dass Kompromisse nicht von allen mitgetragen werden, was auch zu akzeptieren ist. Häufig kommt in der Ablehnung aber lediglich eine Minderheitenmeinung zum Ausdruck, die im europäischen Miteinander der katholischen Bischofskonferenzen auch ihren Platz haben muss.

Von Franziska Broich (KNA)