Papstschreiben als „Markstein“

Die Deutsche Bischofskonferenz und der katholische Jugenddachverband BDKJ haben das Schreiben von Papst Franziskus an Jugendliche in aller Welt in einer gemeinsamen Erklärung als „Markstein“ für die Seelsorge bezeichnet. Es gelte „Einseitigkeiten wie ‚konservativ‘ oder ‚progressiv'“ zu überwinden und stattdessen die Freude an der Botschaft Jesu zu teilen, erklärten der Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx und der BDKJ-Vorsitzende Thomas Andonie am Dienstag.

Der BDKJ-Bundesvorsitzende Thomas Andonie sprach auf der Jugendsynode mit Papst Franziskus. (Foto: BDKJ-Bundesstelle)

In seinem am selben Tag veröffentlichten Schreiben „Christus vivit“ (Christus lebt) mahnt Franziskus die Kirche, „Fragen der Jugendlichen in all ihrer Neuheit zuzulassen und die in ihnen liegende Provokation zu begreifen“. Der Papst veröffentlichte sein 60-seitiges Dokument im Nachgang zu einer dreiwöchigen Bischofssynode, die vergangenen Oktober zum Thema Jugend in Rom tagte. Inhaltlich beschreibt Papst Franziskus zwei große Handlungslinien der Jugendpastoral: zuerst die Suche, die Einladung, andere junge Menschen für die Erfahrung Christi zu gewinnen, und dann das Wachstum, die Reifung derer, die diese Erfahrung bereits gemacht haben.

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Die Kirche müsse „demütig zugeben, dass sich einige Dinge ändern müssen“, schreibt Franziskus. Er verlangt den Mut, „anders zu sein, andere Träume zu zeigen, die die Welt nicht geben kann“, insbesondere im Kampf für Gerechtigkeit und Gemeinwohl sowie Zuwendung zu den Armen. „Bitten wir den Herrn, er möge die Kirche von denen befreien, die die Kirche alt machen, sie auf die Vergangenheit festnageln, bremsen und unbeweglich machen wollen“, so der Papst wörtlich. Zugleich wandte er sich gegen Anpassung an den Zeitgeist.

Neben sozialer Not, Jugendarbeitslosigkeit und Herausforderungen der Digitalisierung und der Migration geht Franziskus auch auf den katholischen Missbrauchsskandal ein. Dabei dankte er erneut den Opfern, die „den Mut haben, das Schlimme, das sie erlitten haben, öffentlich anzuklagen“. Die Krise könne für die Kirche mit Hilfe der jungen Menschen „eine Chance für eine Reform von epochaler Tragweite sein“. Dies sei auch die Haltung der Jugend- und Berufungspastoral in Deutschland, so Kardinal Marx und der BDKJ-Vorsitzende Andonie. Der Papst wünsche sich „eine neue Jugendlichkeit der Kirche“. Diese sei dann jung, wenn sie sich von jungen Menschen hinterfragen und provozieren lasse. In dieser Weise sei Kirche auch gerufen, „den berechtigten Ansprüchen von Frauen nach Gerechtigkeit und Gleichheit wirklich Aufmerksamkeit zu schenken“.

Eine „notwendigerweise synodale Jugendpastoral“ gelte es „mit den verschiedenen Gaben und Charismen zu denken, die Einseitigkeiten wie ,konservativ‘ oder ,progressiv‘ überwinde“ und all das aufnehme, was das Ergebnis gebracht habe, die Freude des Evangeliums weiterzugeben.

Zuspruch und Kritik

„Ein ermutigendes Papier, das aber entscheidende Themen für Jugendliche ausspart“ – so bewertet die Leiterin der Abteilung Kinder, Jugendliche und junge Erwachseneim Bistum Essen, Regina Laudage-Kleeberg, das am Dienstag veröffentlichte Schreiben von Papst Franziskus. In seinem Brief an alle Jugendliche schaffe es der Papst „mit liebevollen Zusagen, den jungen Adressatinnen und Adressaten das Wesentliche unseres christlichen Glaubens zu vermitteln: Du bist von Gott geliebt. Gott ist ein verzeihender Gott und die neue oder erneute Ausrichtung auf ihn ist immer willkommen.“ Das Papier, das der Papst unter dem Titel „Christus vivit“ (Christus lebt) als Antwort auf die Jugendsynodeim vergangenen Herbst verfasst hat, lebe „in vielerlei Hinsicht von großer Ausgewogenheit und Klarheit“, so Laudage-Kleeberg, „zum einen müssen Glaube und Kirche sich so weiterentwickeln, dass junge Menschen sich angezogen fühlen, zum anderen darf das Gläubig sein im eigenen Umfeld auch als Andersartigkeit, im guten Sinne als exotisch, wahrgenommen werden.“

Homosexualität kommt als Thema nicht vor

Laudage-Kleeberg kritisiert, dass der Papst in seinem Schreiben zwar auch auf Liebe und Partnerschaft eingeht – das Thema Homosexualitätaber vollständig ausspare. „Queere Liebe und Sexualität kommen in dem Schreiben nicht vor, was aus weltkirchlicher Sichtvielleicht verständlich, aber aus deutscher Realität betrachtet schade ist“, so die Chefin der Jugendabteilung. Dass Franziskus selbst vor kurzem Homosexualität noch als „Modeerscheinung“ bezeichnet habe, „entspricht einfach nicht der Selbstverständlichkeit, mit der die meisten jungen Menschen in Deutschland auf verschiedene Formen von Liebe reagieren“, sagt Laudage-Kleeberg.

Insgesamt sei das Papier dennoch hilfreich für die Arbeit mit jungen Menschen. „Ich bin positiv überrascht, gerade nach den eher weltfremden Ergebnissen des Missbrauchsgipfels im Februar.“ Das Schreiben scheine „das Ergebnis eines gelungenen Reflexionsprozessdessen zu sein, was Franziskus und sein Team von den jungen Gesprächspartnerinnen und -partnern vor und auf der Synode verstanden haben“. Und einzelne, besonders starke Ermutigungen von Franziskus wie „Öffne dein Herz und lebe anders“, „Dein Herz ist heiliger Boden“, „Du darfst nie deine Träume aufgeben“, „Jesus will, dass du lebendig bist“ oder „Die wahre Liebe ist leidenschaftlich“ hat die Jugendabteilung gleich in ein elektronisches Postkartenformat gebracht, damit sie sich möglichst schnell in der jungen Klientel verbreiten.

rwm