Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper hat Formen der Selbstüberschätzung und des Machtmissbrauchs von Geistlichen kritisiert. In der Kirche sei „kein Platz für arroganten selbstverliebten Klerikalismus“, sagte er zum 100-jährigen Bestehen des katholischen Verbandes ND am Freitag im Kölner Dom.
„Es gilt zweifellos vieles ehrlich aufzuarbeiten“, so Kasper mit Bezug auf den Missbrauchsskandal in der Kirche. Es gelte, „Fehler einzugestehen und Fehlhaltungen zu korrigieren“. Das könne jedoch nicht bedeuten, dass die Kirche zu einem Selbstfindungsclub werde, in dem die Mitglieder nur noch um sich selber und ihre Probleme kreisten.
„Meine Sorge ist, dass die gegenwärtige Kirchenkrise zur Gesellschaftskrise wird“, so Kasper. Er fragte sich, was von der Demokratie bleibe, wenn die christlichen Wurzeln vertrockneten. „Die Welt ist durch eine extrem ungerechte Verteilung der Güter aus dem Gleichgewicht geraten, und die Gleichgültigkeit, mit der wir im Westen der Not von Millionen Menschen zuschauen, ist beschämend“, so der Kardinal.
Der Bund ND (Neudeutschland) feierte sein 100-jähriges Bestehen unter anderem mit einem seit Dienstag stattfindenden Kongress in Köln. Daran nahmen rund 900 Mitglieder teil. Im Rahmen der Tagung verabschiedete der Verband eine Resolution, in der er zur Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai aufrief. „Mit seinen Abgeordneten ist das Europäische Parlament die einzige direkt gewählte Vertretung aller Unionsbürger, das in den letzten 40 Jahren immer mehr Rechte und Kompetenzen bekommen hat, die es zu einer wirklichen Interessenvertretung der Bürger Europas macht“, heißt es in der Resolution.
Eine weiteres Papier unterstützt die Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vom November vergangenen Jahres in allen Punkten, so ND-Leiterin Claudia Lücking-Michel. Darin hatte sich das höchste Laiengremium der katholischen Kirche in Deutschland unter anderem dafür ausgesprochen, Frauen den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu gewähren, die verpflichtende Ehelosigkeit für Priester abzuschaffen und die kirchliche Sexualmoral grundlegend zu überarbeiten.
„Unsere Verantwortung geht weit über die nationalen Grenzen hinaus“, so Lücking-Michel. Christen könnten niemals Nationalisten sein. Auch betonte sie, dass der ND als ehemaliger reiner Männerverband ohne Frauen nicht mehr möglich sei. Ein weiteres Ziel des ND sei der Umweltschutz. „Wir sind in einer Krise der Schöpfung durch den Menschen“, diagnostizierte der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer.
Der katholische Verband wurde 1919 als „Bund Neudeutschland“ von Jesuiten als Schülerverband gegründet und ist ein Netzwerk von rund 4.000 Christen, darunter namhafte Publizisten, Politiker, Theologen und Bischöfe. Als Ziel gibt er aus, Glaube, Kirche und Welt zusammenzubringen und zeitgemäße Positionen zu Themen wie Familie, Klimawandel, Neurowissenschaften, Sterbehilfe und Digitalisierung zu formulieren.