Rufe nach Reformen
Die Rufe nach Reformen in der Kirche werden nicht erst seit dem Missbrauchsskandal, aber durch ihn stärker befeuert, immer lauter. Auch der Essener Weihbischof Ludger Schepers legt den Finger in die Wunden der Kirche und weist auf die heißen Themen von Sexualmoral bis Zölibat. So etwa jüngst in seiner Predigt zu Ostern, die wir hier dokumentieren.
Weihbischof Ludger Schepers wirft Fragen zu den brennenden Themen der Kirche auf: Sexualmoral, Priesterweihe für „bewährte Personen“ und Zölibat
Ich hatte mal eine Mitarbeiterin, die hatte die Angewohnheit, in jedem fünften Satz zu sagen: „Ich habe es doch nur gut gemeint!“ Aber manchmal war „gut gemeint“ alles andere als gut. Manchmal war es sogar das Gegenteil von „gut gemacht!“ Natürlich hatte sie immer die besten Absichten. Sie wollte nur helfen und unterstützend eingreifen – und erreichte manchmal genau das Gegenteil. Ja, in der Tat, „gut gemeint“ ist manchmal das Gegenteil von „gut gemacht“.
Daran musste ich denken, als ich mir die Lesung aus der Apostelgeschichte vornahm. Da sagt Petrus in einer öffentlichen Rede, dass seine Zuhörer diesen Jesus aus Nazareth durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht hätten. Aber wen meint er damit? Wer soll da gesetzlos gewesen sein? Alle Beteiligten hatten es doch nur gut gemeint!
Die Henker, die Jesus zur Kreuzigung führten, hatten ihre Befehle, und denen mussten sie gehorchen. Auch Pilatus hatte keine andere Wahl. Recht und Ordnung und die Staatsräson ließen ihm keinen Spielraum und machten dieses Urteil zwingend notwendig.
Und der hohe Rat, die Schriftgelehrten und die Priester – waren die etwa gesetzlos? Sie waren davon überzeugt, dem Gesetz des Glaubens zu folgen, Gottes Gebot zu erfüllen, indem sie diesen Jesus, den Unruhestifter und Aufrührer, der mit ihrer Tradition zu brechen drohte, daran hinderten, noch mehr Unheil anzurichten.
„Wir haben ein Gesetz“, so sagten sie, „und nach diesem Gesetz muss er sterben!“ Sollten diese Männer etwa Gesetzlose gewesen sein? Sie haben nur getan, was sie nach dem gegebenen Gesetz für richtig hielten. Sie haben nur das Beste gewollt, für das Volk. Sie haben es doch nur gut gemeint! Aber, wie schon gesagt, „gut gemeint“ ist manchmal das Gegenteil von „gut gemacht“.
Priesterweihe für „personae probatae“?
Alle, die für die Kreuzigung verantwortlich waren, waren davon überzeugt, Gott einen Gefallen zu tun, und jetzt müssen sie sich gefallen lassen, von Petrus als Gesetzlose beschimpft zu werden, vor der Geschichte als Verbrecher dazustehen, als Menschen, die von Gottes Willen nichts verstanden hatten. Wie oft ist das wohl heute noch so der Fall, dass wir meinen, im Namen von Kirchenrecht, Glaube und Religion genau das Richtige zu tun, etwas aufrechterhalten, ganz egal, ob Menschen dafür leiden müssen oder nicht. Ganz bestimmt fallen Ihnen jetzt die vielen aktuellen Fragen ein, für die alle, die Leitungs- und Entscheidungsverantwortung tragen, möglichst bald eine Lösung finden müssen.
Welche Antworten hat die Moraltheologie zu bieten, angesichts der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse in dem Bereich von Sexualität und Moral? Welche Herausforderungen ergeben sich dafür in der Homosexuellenpastoral? In der Frage der Segnung ihrer Beziehungen? Wie ist das mit dem Kommunionempfang in einer konfessionsverbindenden Ehe? Wie ist das in der Frage des Kommunionempfangs beziehungsweise auch der Segnung einer neuen Beziehung nach einer Scheidung? Wenn wir nur auf die Tradition schauen, dann sind viele fest davon überzeugt, dass das genau Gottes Wille ist, wie man es immer gemacht hat.
Wieso sollte es heute nicht möglich sein, das Leben unserer Gemeinden zu schützen und die Feier der Eucharistie als deren Mittelpunkt zu erhalten, dass auch geeignete personae probatae („bewährte Personen“ – die Redaktion) die Priesterweihe erhalten? Ist denn der Zölibat in dieser heutigen Situation wirklich Gottes Wille für alle? Wenn Jesus heute auf die Welt käme und –davon bin ich überzeugt – unsere Überlieferungen und Traditionen wieder einmal durcheinander wirbeln würde, würden wir ihn vielleicht nicht mehr ans Kreuz schlagen. Aber ein viel besseres Schicksal würde ihn wohl auch nicht erwarten.
Denn viel klüger wären Theologen und Repräsentanten aller Religionen heute wohl kaum, als sie es damals waren. Auch heute meinen sie es alle nur gut. Aber „gut gemeint“ ist manchmal das Gegenteil von „gut gemacht“.