Katholische Krankenhausverband: Bertelsmann-Studie „abgehoben und realitätsfremd“

(Symbolfoto: pixabay)

Der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) findet klare Worte: Die heute vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Zukunft der Krankenhauslandschaft gehe an der Realität vorbei, hießt es in einer Erklärung des Verbandes.

„Die Studie ist abgehoben und realitätsfremd. Der notwendigen Diskussion über die Zukunft der Krankenhauslandschaft hilft diese plakative Darstellung nicht weiter, denn mit der konkreten Versorgungssituation vor Ort haben diese Zahlenspielereien nichts zu tun. Eben wurde noch über die Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen diskutiert, jetzt wollen die Studienautoren die Krankenhausversorgung an wenigen Großkliniken konzentrieren“, sagt Ingo Morell, stellvertretender Vorsitzender des kkvd. Die Vorschläge bedeuteten für die Patientinnen und Patienten längere Wege, Versorgung im Akkord und weniger menschliche Zuwendung in der Pflege bedeuten. „Mit Patientenorientierung hat ein solcher Vorschlag nichts zu tun. Und auch den Mitarbeitenden kann man nicht ohne weiteres unterstellen, dass sie gerne in einer Großklinik arbeiten wollen.“

Die Bertelsmann Stiftung spricht sich für eine grundlegende Neuordnung der Krankenhauslandschaft in Deutschland spricht sich die  aus. „Mit weniger als der Hälfte der Krankenhäuser wären Patienten besser versorgt“, heißt es in der am Montag in Gütersloh veröffentlichten Studie. Eine starke Verringerung der Klinikanzahl – von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser – würde die Versorgungsqualität für Patienten verbessern und zudem bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern. Kritik kam von der Bundesärztekammer und Patientenschützern.

In der Studie weisen Experten darauf hin, dass viele Krankenhäuser zu klein seien und oft nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung verfügten, um lebensbedrohliche Notfälle wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall angemessen zu behandeln. „Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung“, schreiben die Wissenschaftler des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (Iges), die von der Stiftung mit dem Gutachten beauftragt wurden. Sie könnten eine gesicherte Notfallversorgung, eine Facharztbereitschaft rund um die Uhr, ausreichend Erfahrung des medizinischen Personals sowie eine angemessene technische Ausstattung vorweisen.

Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft müsse vor allem das Ziel einer besseren Versorgungsqualität verfolgen, sagte Stiftungsvorstand Brigitte Mohn. Eine vordringliche Orientierung an Fahrzeiten ginge dagegen in die falsche Richtung. „Wenn ein Schlaganfallpatient die nächstgelegene Klinik nach 30 Minuten erreicht, dort aber keinen entsprechend qualifizierten Arzt und nicht die medizinisch notwendige Fachabteilung vorfindet, wäre er sicher lieber ein paar Minuten länger zu einer gut ausgestatteten Klinik gefahren worden“, so Mohn.

„Den Patientinnen und Patienten als Trost für längere Wege eine bessere Behandlungsqualität zu versprechen, ist Augenwischerei“, kritisierte Morell weiter. „Auch in den Kliniken der Grund- und Regelversorgung vor Ort ist eine hohe Qualität Standard. Zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge.“ Wo es auf Spezialwissen ankomme, sei Zentralisierung schon heute geübte Praxis. So bestehe in der Modellregion der Studie bei Herzinfarkt und Schlaganfall längst die klare Absprache, dass Patientinnen und Patienten gezielt an entsprechend ausgestattete Krankenhäuser gebracht werden. „Solche Verbünde bestehen in vielen Regionen Deutschlands, werden in der Studie aber anscheinend nicht berücksichtigt. Für die Nachsorge wird zudem auch in Zukunft ein Krankenhaus in erreichbarer Nähe benötigt“, so der stellvertretender kkvd-Vorsitzende.

Schließlich bedeute die empfohlene Reduzierung von Kliniken eine Verdopplung der Behandlungsfälle pro Krankenhaus. In der Studie wird argumentiert, die stationären Fallzahlen könnten durch mehr ambulante Behandlungen von heute 19,5 Millionen pro Jahr auf 14 Millionen gesenkt werden. Gleichzeitig wird jedoch eingeräumt, dass die ambulanten Strukturen diese Patienten derzeit nicht aufnehmen können. „Nur eine rigide Patientensteuerung wird die Fallzahlen in den Kliniken deutlich reduzieren. Doch das würde die Patientinnen und Patienten Wahlfreiheit und Souveränität kosten“, so Morell. „Eine Zentralisierung auf wenige Großkliniken setzt zuerst enorme Startinvestitionen für den Umbau voraus. Zudem wäre die bisherige Trägervielfalt in der Krankenhauslandschaft gefährdet. Klar ist, dass nicht alle heutigen Standorte erhalten bleiben können.“ Doch sei ein dichtes Netz an Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung unverzichtbar, um die schnelle Erreichbarkeit und Versorgung in der Fläche zu sichern. Das sei gerade für die wachsende Zahl älterer Menschen wichtig, die mehrfach erkrankt und nur eingeschränkt mobil sind.

Die Bundesärztekammer bezeichnete die Vorschläge als befremdlich. „In Ballungsgebieten mit erhöhter Krankenhausdichte kann es durchaus sinnvoll sein, dass Ärzte und Pflegepersonal in größeren Strukturen Patienten behandeln“, erklärte Präsident Klaus Reinhardt. Gerade im ländlichen Raum aber müsse die flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Wichtig sei deshalb auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Medizinern und Kliniken. „Wer auch immer mit welchen Ideen den Krankenhaussektor verändern will, muss dem grundgesetzlichen Auftrag der Daseinsvorsorge, der Gleichheit der Lebensverhältnisse und dem Feuerwehrwehr-Prinzip der Krankenhäuser im Katastrophenfall gerecht werden.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor einem Kahlschlag. „Es geht nicht immer nur um komplizierte Operationen mit Maximalversorgung“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Vielmehr müssten auch die Patienten gut behandelt werden, die keine Maximaltherapie benötigen und dennoch ins Krankenhaus gehen müssen. Zu dieser Gruppe gehörten besonders alte, pflegebedürftige und chronisch kranke Menschen. „Schließlich machen die schon heute mehr als 60 Prozent der Krankenhauspatienten aus.“

rwm/kna