Nach der Wahl Ursula von der Leyena zur neuen Präsidentin der EU-Kommission hofft die katholische Kirche in Deutschland auf Fortschritte in der europäischen Klima- und Umweltpolitik. Von der Leyen habe Ziele formuliert, die teilweise ehrgeiziger seien als das, was man bisher auf Bundesebene erörtert habe, sagte der Hauptgeschäftsführer von Misereor, Pirmin Spiegel, am Donnerstag in Köln. Er sei gespannt, was die CDU-Politikerin in ihrem neuen Amt davon umsetzen könne, so der Chef des weltweit größten kirchlichen Entwicklungshilfswerks.
Von der Leyen habe sich „eindeutig positioniert“, sagte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten. Auch er betonte, dass es nunmehr darauf ankomme, die Absichtserklärungen in die politische Realität zu überführen. Der Vorsitzende der von Misereor getragenen Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE) fügte hinzu, dass die von der künftigen EU-Kommissionspräsidentin in Aussicht gestellten Maßnahmen nur ein Anfang sein könnten.
Weiter mahnte Jüsten zu einem Kurswechsel auch in Deutschland. „Wir können unseren Beitrag nicht allein dadurch definieren, wie viele Sonnenkollektoren oder Windkrafträder in Betrieb sind, wenn wir gleichzeitig mehr Straßenkilometer bauen und den Ausstoß an CO2 nicht effektiv begrenzen.“ Zudem brauchten auch alternative Energieträger Ressourcen, die teilweise, wie etwa Lithium aus Bolivien, aus Entwicklungsländern kämen. „Diesen Ländern bürden wir mit unseren Konsum-Mustern einen unverantwortlich hohen Flächenverbrauch, die Verdrängung von Kleinbauernfamilien aus diesen Flächen oder hohe Umweltbelastungen auf.“
Misereor-Chef Spiegel würdigte die Schülerproteste „Fridays for Future“. Dadurch würden die aus dem Klimawandel resultierenden Probleme und Herausforderungen seit Monaten hör- und sichtbar gemacht. Viel Zeit zum Umsteuern bleibe nicht mehr, betonte Spiegel. „Wir können mit der Natur, mit dem Klima, nicht über ein paar Prozente mehr oder weniger, ein Jahr früher oder später verhandeln. Es geht um Prozesse, die wir nicht umkehren können, aber wir können sie aufhalten; sonst wird Zukunft für alle unmöglich.“
Spiegel forderte die Bundesregierung zu mehr Einsatz für eine gerechtere Welt auf. Trotz einiger Fortschritte hinke Deutschland ebenso wie die meisten anderen Länder bei den selbst gesteckten Vorhaben im Rahmen der Agenda 2030 deutlich hinterher. Sorge bereite etwa eine steigende Zahl von Hungernden in der Welt. Derzeit hätten rund um den Globus mehr als 821 Millionen Menschen zu wenig zu essen – deutlich mehr, als ganz Europa Einwohner habe.
Spiegel und Jüsten äußerten sich auf der Jahresbilanzpressekonferenz von Misereor. Im vergangenen Jahr nahm das in Aachen ansässige Werk für Entwicklungszusammenarbeit 232,2 Millionen Euro ein, rund 17,6 Millionen Euro mehr als 2017. Gefördert wurden Projekte in rund 90 Ländern Afrikas und des Nahen Ostens, Asiens und Ozeaniens sowie Lateinamerikas und der Karibik.