Die auf der Amazonas-Synode im Vatikan erörterten Fragen betreffen nach den Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck auch die katholische Kirche in Europa und anderen Teilen der Welt. „Die Themen der Synode sind hier wie dort für alle bedeutsam“, sagte Overbeck, der auch für das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat zuständig ist, in einem Interview der „Bild“-Zeitung (Montag).
Als Beispiel nannte Overbeck ökologische Herausforderungen, den Umgang mit dem Priestermangel, die Machtverteilung in der Kirche und Geschlechtergerechtigkeit. „Kann man zum Beispiel an einem Y-Chromosom den Zugang zum Priesteramt festmachen, indem man das mit dem Willen Jesu begründet?“, fragte Overbeck. „Die allermeisten Menschen verstehen das nicht mehr und glauben es auch nicht. Ich bin ebenfalls mehr als nachdenklich.“
In seinem Amt habe er sich verändert, bekannte der 55-Jährige, dessen Ernennung zum Ruhrbischof am 28. Oktober 2009 bekannt gegeben wurde. „Wenn Sie mir heute bescheinigten, ich wäre noch derselbe wie vor zehn Jahren, dann empfände ich das als Niederlage.“
Seine Äußerungen zu Homosexualität in der ARD-Talksendung von Anne Will würde er heute so nicht mehr wiederholen, so Overbeck weiter. Damals hatte der Bischof gesagt, Homosexualität sei Sünde. Er habe er die Überzeugung gehabt, „man könnte theologisch mit dem Naturrecht argumentieren“, erläuterte Overbeck. „Echt erfüllte Liebe gibt es danach nur zwischen Mann und Frau. Der Meinung bin ich heute nicht mehr.“
Das hänge durchaus auch mit Begegnungen mit schwulen und lesbischen Menschen zusammen, fügte der Bischof hinzu. „2010 konnte ich zudem das Ausmaß des Missbrauchsskandals nicht erahnen. Er hat die Glaubwürdigkeit der Kirche in einem unvorstellbaren Maß zerstört. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir uns moraltheologisch weiterentwickeln und die moralischen Fragen in eine Beziehungsethik überführen müssen.“ Das sei eine immense Herausforderung. „Und wir stehen noch ganz am Anfang.“