Die Einschränkungen des religiösen Lebens in Deutschland wegen des Corona-Virus schreiten voran. Das betrifft nicht nur Christen, sondern auch Juden und Muslime.
In Notstandssituationen entfällt die Pflicht, die Sonntagsmesse zu besuchen
Ein großflächiges behördliches Verbot von öffentlichen Gottesdiensten im Kampf gegen das Coronavirus ist nach den Worten des Juristen Christian Hillgruber auch hierzulande möglich. Grundlage dafür sei das Infektionsschutzgesetz, sagte der Direktor des Instituts für Kirchenrecht an der Universität Bonn der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Allerdings muss auch bei Maßnahmen, die dem Gesundheitsschutz der gesamten Bevölkerung dienen sollen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.“
Eine „religiöse ‚Grundversorgung'“ müsse gewährleistet sein, so der Jurist. Es gebe nach katholischem Verständnis jedoch Notstandssituationen, in denen die Pflicht entfalle, die Sonntagsmesse zu besuchen. Das gelte mutmaßlich im Grundsatz auch für die aktuelle Lage.
Münchner Erzbistum: Keine Gottesdienste mit über 100 Teilnehmern
Nach der Einrichtung eines Krisenstabes zum Umgang mit dem Corona-Virus hat die Leitung des Erzbistums München und Freising den Pfarrgemeinden weitere Empfehlungen gegeben. Auch die Kirche müsse ihren Beitrag zur Verringerung des Ansteckungsrisikos leisten, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung. So sollten in Kirchen und Gebetsräumen keine Gottesdienste mehr mit über 100 Teilnehmern stattfinden.
In den östlichen Nachbarländern Bayerns, in Österreich und Tschechien, sind Gottesdienste ab dieser Teilnehmergrenze bereits verboten. Alle Anwesenden müssten strikt auf Hygiene achten und ausreichend Abstand zu Mitfeiernden halten, so das Münchner Ordinariat. Für das Einsammeln von Spenden sollte kein Behältnis von Hand zu Hand weitergereicht werden. Geländer und Türklinken sollten regelmäßig desinfiziert werden.
Alle weiteren Veranstaltungen, die nicht zwingend jetzt durchgeführt werden müssten, sollten abgesagt oder verschoben werden. In einem Schreiben seien Kriterien aufgelistet worden, darunter die Anzahl und Herkunft der Beteiligten sowie Dauer und Dichte der Zusammenkunft. Taufen und Trauungen müssten nicht in jedem Fall verschoben, sondern könnten im kleinen Kreis „unter Beachtung der Hygienevorgaben“ gefeiert werden.
Fernsehgottesdienst aus Dormagen wegen eines Corona-Fall abgesagt
Unterdessen kann der geplante ZDF-Fernsehgottesdienst aus Dormagen wegen eines Corona-Falls in der Gemeinde nicht stattfinden, wie die Katholische Fernseharbeit der Deutschen Bischofskonferenz erklärte. Die Messfeier am 22. März hätte live übertragen werden sollen. Die Verantwortlichen suchen den Angaben zufolge nun nach einem neuen Ort.
Europas Bischöfe riefen zum Gebet für Patienten sowie Medizin- und Pflegepersonal auf. Die Menschen würden durch die Epidemie auf eine „harte Probe“ gestellt, so die Vorsitzenden der EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Jean-Claude Hollerich, und des Rates der europäischen Bischofskonferenzen CCEE, Kardinal Angelo Bagnasco.
Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes fällt aus
Ebenfalls am Donnerstag wurde bekannt, dass die im Mai geplante 62. Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes nicht stattfinden wird. Bei der Telefonseelsorge in Deutschland steigt unterdessen die Zahl der Anrufe zum Coronavirus an. Derzeit drehten sich etwa acht Prozent der täglichen Anrufe um das Thema, sagte der Leiter der Telefonseelsorge Bochum, Ludger Storch, der KNA. Zu Wochenbeginn habe der Anteil noch bei etwa vier Prozent gelegen. Nun meldeten sich Menschen, die an Angststörungen litten und momentan aushäusige Kontakte mieden, sowie ältere und gebrechliche Menschen.
Auch die Islamverbände reagieren mit verstärkten Vorsichtsmaßnahmen. Der türkisch-islamische Moscheeverband Ditib teilte der KNA mit, er habe seinen fast 900 Gemeinden bundesweit empfohlen, bis auf Weiteres auf Großveranstaltungen zu verzichten. Auch der Ditib-Bundesverband habe bereits mehrere Veranstaltungen abgesagt. Zudem werde sich die Freitagspredigt dieser Woche der Corona-Gefahr widmen.
Synagogengottesdienste ab sofort nicht mehr als 100 Teilnehmern
Die Weltorganisation orthodoxer Synagogengemeinschaften in Israel und der Diaspora erließ laut der „Jerusalem Post“ Richtlinien, wonach etwa Synagogengottesdienste ab sofort nicht mehr als 100 Teilnehmer haben dürfen.