Sozialpsychologe: Corona-Krise kann auch positive Effekte haben

Die Corona-Krise könnte nach Ansicht des Leipziger Sozialpsychologen Immo Fritsche auch positive gesellschaftliche Effekte nach sich ziehen. „Vielleicht wird unser Leben – wenn wir uns als solidarische und gemeinsam tatkräftige Gesellschaft bewähren – stärker durch das Gefühl geprägt sein, persönlich Verantwortung für das Ganze zu tragen“, erklärte der an der Uni Leipzig lehrende Wissenschaftler am Montag. „Dieses ‚kollektive Wirksamkeitserleben‘ könnte sich dann möglicherweise auf unsere Motivation übertragen, auch die noch viel größeren kollektiven Krisen gemeinsam anzugehen.“ Als Beispiele nannte er den Klimawandel und das Artensterben.

Immo Fritsche (Foto: Universität Leipzig)

Zugleich warnte Fritsche, dass sich mit der Zunahme von Krankheits- und Verdachtsfällen die Qualität der Krise „nochmals deutlich verändern“ könne: „Sobald wir andere vor allem als ernstzunehmende Gefahrenquelle für uns selbst wahrnehmen, reduziert dies soziales Vertrauen und erhöht das Risiko sozialer Konflikte und der Stigmatisierung Betroffener.“ Die Perspektive auf andere als mögliche Hilfsbedürftige und ein „Ethos gesellschaftlicher Solidarität“ könnten dem entgegenwirken, so Fritsche, der Mitglied des in Gründung befindlichen Forschungsinstituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. „Wir alle sollten im Alltag darauf achten, dass diese unbewussten und automatischen feindseligen Reaktionen auf Bedrohung uns nicht beherrschen.“

Der Sozialpsychologe wies darauf hin, dass durch häusliche Isolation oder bei langanhaltenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens wichtige soziale Netzwerkstrukturen für Menschen „irreparabel verlorengehen“ könnten – etwa wenn sie durch die Krise den Arbeitsplatz verlören. „Das ist nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen schlimm für Menschen, sondern vor allem wegen des Verlusts persönlicher Sinnhaftigkeit, sozialer Eingebundenheit und sozialen ‚Standings‘.“