Bonn – Vor den Osterfeiertagen wehren sich die Kirchen in Deutschland gegen Kritik an Gottesdienstverboten. „Mit dem jetzt bestehenden Gottesdienstverbot handelt die Kirche in Deutschland – bei allem Verständnis für die Feier der Eucharistie – vernünftig und verantwortungsvoll“, sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag. Laut Ratsvorsitzendem der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, muss die Rettung von Menschenleben stets der „leitende Gesichtspunkt“ sein.
Bedford-Strohm sagte in der „Rheinischen Post“: „Aus christlicher Nächstenliebe werden wir alles tun, was dazu beiträgt, das Virus einzudämmen und dennoch miteinander Ostern feiern zu können: Ob über Fernsehgottesdienste, Livestreams oder Telefonandachten, die Osterbotschaft lässt sich nicht aufhalten.“
In derselben Zeitung kam dagegen Kritik vom Staatsrechtler Horst Dreier. „Die Gottesdienste überall pauschal zu verbieten, halte ich für sehr problematisch.“ Gerade in der Corona-Krise sehnten sich viele Menschen nach seelischer Erbauung und geistlichem Zuspruch, daher habe ihn das Verbot schockiert. Er frage sich, warum Gottesdienste nicht anders organisiert werden könnten. Dreier schlug vor, die Kapazitäten in den Kirchen zu begrenzen, Abstandsregeln einzuführen und mehrere Gottesdienste am Tag abzuhalten. „Online-Gottesdienste sind kein wirklicher Ersatz.“
Der evangelische Medienbischof Volker Jung hält es dagegen für unverantwortlich, „jetzt zu sagen, bitte versucht irgendwelche Formen zu finden, in denen wir miteinander Gottesdienst feiern können“. Er sagte, er könne die kritische Position des evangelischen Theologen und Bestsellerautors Peter Hahne „überhaupt nicht teilen“. Hahne hatte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag) erklärt, ohne Gottesdienste mit physischer Präsenz der Gläubigen sehe er den „Markenkern“ von Kirche bedroht. Eine Öffnung lasse sich mit einfachen Mitteln sicher gestalten – mit „Abstand statt Leerstand“ wie etwa im Supermarkt.
Jung sieht aber „große Unterschiede“ zu Einkäufen. Dort hätten Menschen die Möglichkeit, sich in bestimmten Abständen voneinander zu bewegen. Das sei anders, „als wenn ich Menschen in eine Kirche einlade, wo sie über einen längeren Zeitraum in einem Raum zusammen sind“. Offenbar sei das Infektionsrisiko da mit Bezug auf Virologen „sehr viel größer“.
So lehnte der Virologe und Vorsitzende der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut, Thomas Mertens, Sonderregelungen bei Gottesdiensten ab. „Vollständig lassen sich Infektionen in diesem Bereich nur ausschließen, wenn Gottesdienste nicht stattfinden“, sagte er der KNA.
Inakzeptabel sei für ihn das Argument, dass jeder Einzelne oder eine Gemeinde ein Infektionsrisiko bewusst akzeptieren dürfe. „Es können Dritte gefährdet werden, und es wird ja auch zurecht erwartet, dass jeder dann im Krankheitsfall medizinisch oder sogar intensivmedizinisch betreut wird, er belegt Krankenhauskapazität, kann Krankenhausinfektionen verursachen und medizinisches Personal gefährden“, so Mertens.
Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sieht das Verbot als gerechtfertigt an. Er habe nichts dagegen, die Einschränkungen der Religionsausübung juristisch prüfen zu lassen, sagte er am Montag mit Blick auf mehrere anhängige Eilverfahren vor deutschen Gerichten. „Ich frage aber auch zurück: Wollten wir es als Christen wirklich verantworten, dass durch einen als tapferer Widerstand getarnter ziviler Ungehorsam die Ausbreitung des Coronavirus beschleunigt wird?“
Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber sprach sich für Lockerungen aus. Er erinnerte am Montag in der katholischen erzkonservativen Wochenzeitung „Die Tagespost“ daran, dass die Religionsfreiheit „wie kaum ein anderes Grundrecht auf gemeinschaftliche Ausübung angelegt und angewiesen“ sei. Daher müssten in begrenztem Umfang Ausnahmen zugelassen werden, zumal in der österlichen Zeit.