Bonn – Bildungsexperten warnen bei der geplanten Wiedereröffnung von Schulen in der Corona-Pandemie vor Ungerechtigkeiten. Es brauche einen „Corona-Bonus“ für Schüler, die vor Abschlussprüfungen stehen, erklärte die Bildungsgewerkschaft GEW. Die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe sprach sich am Donnerstag dagegen aus, „Abschlussprüfungen jetzt auf Teufel komm raus durchzuziehen“. Das bringe Ungerechtigkeiten mit sich. Im Zweifel solle die Bewertung zugunsten des Schülers ausfallen. Die Länder müssten sich zudem darauf verständigen, „alle Abschlüsse und Noten gegenseitig ohne Wenn und Aber anzuerkennen“.
Die GEW begrüßte grundsätzlich die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten, die Bildungseinrichtungen ab dem 4. Mai schrittweise wieder zu öffnen. Bei allen Maßnahmen müssten aber „der größtmögliche Infektionsschutz und die bestmögliche Hygiene für alle Beschäftigten und die Lernenden die Messlatte sein“, so Tepe. Dafür brauche es ein gemeinsames Handeln der Bundesländer. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) forderte bundesweit einheitliche Regelungen zum Tragen von Masken in Schulen.
Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), erklärte, der Unterricht bis zu den Sommerferien werde „natürlich ein anderer Unterricht sein als der, den es vor Corona gab.“ Wichtig sei, dass die Abstandsregeln eingehalten würden, sagte Hubig bei SWR aktuell. Pro Klasse seien zwei Lehrkräfte nötig. Möglich sei auch, dass sich „Arbeit zu Hause abwechselt mit Arbeit in der Schule“.
In NRW, wo die Schulen für Prüfungsjahrgänge schon in der kommenden Woche wieder geöffnet werden sollen, sprach der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, von einer „immensen Herausforderung“. Die genaue Definition der Risikogruppen, die konkreten Hygienevorschriften und damit auch die Regelungen für die Verantwortlichkeiten müssten vor jeglicher Wiederinbetriebnahme der Schulen gewährleistet sein.
Ein Bündnis von Schüler- und Studierendenvertretungen kritisierte die bildungspolitischen Folgen der Pandemie. Es brauche dringend finanzielle Unterstützung und Kulanzregelungen bei Prüfungen und Studienzeiten, mahnte das Bündnis, das unter anderem von der Verdi-Jugend und dem Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) unterstützt wird. Das Lernen und Arbeiten zu Hause treffe auf extrem ungleiche Bedingungen, so die Kritik: Das Bildungswesen sei „weder technisch noch didaktisch“ auf die Situation vorbereitet gewesen.
Eine bundesweite Umfrage ergab unterdessen, dass 53 Prozent der Schüler nach eigener Einschätzung zu Hause weniger lernen als in der Schule. Das Unternehmen Lernmal führte die Umfrage unter 1.543 Schülern und 328 Lehrern den Angaben zufolge gemeinsam mit dem Bildungsunternehmen Sdui und dem Fraunhofer Institut durch.