Berlin – Bei offiziellen Religionsvertretern ist das Bedauern über das verlängerte Verbot öffentlicher Gottesdienste und religiöser Veranstaltungen ist groß. Eine Mehrheit der Deutschen hält öffentliche Gottesdienste in Zeiten der Corona-Pandemie allerdings für nicht notwendig.
Mit Blick auf das für Freitag geplante Treffen zwischen Religionsvertretern und Bundesregierung mehrten sich am Donnerstag deutliche Stimmen, Gläubigen möglichst bald wieder eine Möglichkeit zur gemeinsamen Gottesdienstfeier – wenn auch unter strengen Schutzvorkehrungen – zu schaffen.
Gespräche am Freitag
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz zeigte sich entäuscht über die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), während die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Unterstützung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betonte. Beide Kirchen kündigten an, bei dem für Freitag geplanten Gespräch mit der Bundesregierung Lösungsvorschläge zur Religionsausübung unter Wahrung des Infektionsschutzes einbringen zu wollen.
Zuvor hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch das Gottesdienstverbot verlängert. Merkel bekräftigte dabei, dass bei einem Treffen von Religionsvertretern am Freitag mit der Bundesregierung über das weitere Vorgehen sowie „möglichst einvernehmliche Wege“ beraten werden solle. Auch Baden-Württemberg und Bayern kündigten solche Gespräche an. In Nordrhein-Westfalen hatten sich Landesregierung und Religionsvertreter bereits für den späten Donnerstagnachmittag verabredet.
Hanke äußert Unverständnis
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke kritisierte den Stufenplan zur Lockerung der Maßnahmen wegen der Corona-Pandemie. Es sei für ihn nicht verständlich, dass die Kirchen mit ihrem Dienst darin keinerlei Platz gefunden hätten. Dass etwa Märkte und Geschäfte bis zu einer gewissen Größenordnung berücksichtigt worden seien, nicht jedoch die Kirchen mit ihren pastoralen Diensten, deute nicht nur auf eine einseitige Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen hin, sondern sei auch vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung wie auch der Wahrung religiöser Grundrechte zu hinterfragen. Ähnlich hatte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Mittwochabend geäußert.
Der Sprecher des Münchner Kardinals Reinhard Marx, Bernhard Kellner, sagte, „als Kirche kennen wir unsere Verantwortung für die Menschen; und unser Ziel ist selbstverständlich, dass wir öffentliche Gottesdienste Schritt für Schritt wieder anbieten können.“ Man hoffe, dies sobald wie möglich wieder zu realisieren. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt zeigte sich ebenfalls enttäuscht.
Sternberg: Online-Angebote kein Ersatz.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, plädierte ebenfalls für eine baldige Rückkehr zu gemeinschaftlichen Gottesdiensten. Unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen solle den Religionsgemeinschaften die Möglichkeiten eröffnet werden, in eingeschränktem Maß zu Gottesdiensten zusammenzukommen. Online-Angebote seien eine Hilfe, aber kein Ersatz.
Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görus, Bekir Altas, nannte es „nicht nachvollziehbar, wenn Moscheen, Kirchen oder Synagogen geschlossen bleiben müssen, das Shoppen in der Stadt aber erlaubt sein soll“. Religionsgemeinschaften solle so weit vertraut werden, dass auch ihnen unter Auflagen die schrittweise Öffnung erlaubt werde.
Bedford-Strom zeigt sich dankbar
Die Evangelische Kirche in Deutschland unterstütze „ausdrücklich die weiterhin notwendige gesamtgesellschaftliche Anstrengung, das Leid, das durch die Ausbreitung des Coronavirus entsteht, soweit irgend möglich zu begrenzen“, sagte unterdessen der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am Mittwochabend in Hannover. Merkel habe „ausdrücklich gewürdigt, dass die Kirchen am gerade zurückliegenden Osterfest vielfältige Wege gefunden haben, Gottesdienste zu feiern, ohne sich in den Kirchen zu versammeln und damit das Infektionsrisiko zu erhöhen“, so der Bayerische Landesbischof. „Dafür sind wir dankbar.“
Mit Blick auf die Gespräche mit der Bundesregierung zeigte er sich „zuversichtlich, dass das sehr bald zu einvernehmlichen Klärungen führt, die verantwortbare Formen des Gottesdienstes in unseren Kirchen wieder ermöglichen“.
Gröhe hofft auf Verständigung
Auch der religionspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), befürwortete ein baldiges Ende des Gottesdienst-Verbots. Er hoffe sehr auf eine Verständigung, dass in Kirchen, Moscheen und Synagogen zeitnah wieder öffentliche Gottesdienste gefeiert werden dürfen. Es müsse selbstverständlich verbindliche Vorgaben geben.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigte sich zurückhaltender. „So schwer es uns fällt, unsere Moscheen im Heiligen Monat Ramadan weiter geschlossen zu halten, so ist es unsere religiöse und bürgerliche Verantwortung, in der aktuellen Phase genau das zu tun“, sagte Mazyek auf Anfrage.
Nur zwölf Prozent sehen Gottesdienste als Grundversorgung
Laut einer Umfrage halten 70 Prozent der Deutschen öffentliche Gottesdienste in Zeiten der Corona-Pandemie für nicht notwendig. Lediglich zwölf Prozent gaben an, dass Vor-Ort-Gottesdienste als Teil der Grundversorgung erlaubt sein sollten.