München – Der Autor Peter Seewald wehrt sich gegen Zuschreibungen gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. als weltfern, engstirnig oder reaktionär. „Das Copyright daran liegt bei Hans Küng“, sagte Seewald im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag).
In ihm habe Joseph Ratzinger „einen Gegenspieler und Neider wie Mozart in Antonio Salieri“. Ohne den Schweizer Theologen Küng „würde es das Klischee vom Großinquisitor und Panzerkardinal nicht geben“, so der Autor, der am 4. Mai eine umfangreiche Biografie über den 2013 zurückgetretenen Papst vorgelegt hat.
Seewald: Benedikt „eine der verkanntesten Persönlichkeiten unserer Zeit“
Er kenne Ratzinger seit 27 Jahren aus unzähligen Treffen. „Heute bin ich davon überzeugt, dass der Mann eine der verkanntesten Persönlichkeiten unserer Zeit ist“, sagte Seewald. „Er ist ein typischer Querdenker.“ Als Präfekt der römischen Glaubenskongregation, als „Wachhund des Papstes“ habe Ratzinger unpopuläre Entscheidungen getroffen „und reagierte bisweilen schroff, das machte ihn zur Zielscheibe“, erklärte der Autor.
Weiter nahm er Ratzinger in Schutz wegen „Skandalen“ während seines Pontifikats. „Wer Benedikts sogenannte Affären präzise aufarbeitet, zum Beispiel den Skandal um Richard Williamson, einen Bischof der von Rom abgespaltenen Piusbruderschaft, ist erschüttert von dem Ausmaß an Falschinformation, zu dem sich viele Redaktionen wider besseres Wissen hinreißen ließen“, kritisierte Seewald. Schon die Schlagzeile „Papst macht Holocaust-Leugner wieder zum Bischof“ sei eine „klassische Fake News“. Die Aufhebung der Exkommunikation gegenüber Bischöfen der Piusbruderschaft habe keine Rehabilitation oder gar die Wiedereinbindung in die Kirche bedeutet. „Die Schismatiker durften halt wieder zur Kommunion gehen und beichten, was sie auch bitter nötig hatten“, sagte Seewald.
Missbrauchsskandal sei „sie größte Pein von allen während seiner Amtszeit“
Zum Missbrauchsskandal der katholischen Kirche betonte der Autor, dies sei für Ratzinger „die größte Pein von allen während seiner Amtszeit“ gewesen: „dass Priester, die am Altar die heilige Messe feiern, zu solchen Taten überhaupt fähig sind, noch dazu in diesem Ausmaß“. Als Präfekt der Glaubenskongregation habe er die Grundlagen dafür geschaffen, „dass die Fälle aufgeklärt, die Täter bestraft werden können und den Opfern Genugtuung widerfährt, soweit das überhaupt möglich ist“. Als Papst habe er eine Null-Toleranz-Politik gegenüber kirchlichen Tätern betrieben und Sanktionen gegen Bischöfe, die ihre Pflicht vernachlässigen, verhängt. „Dass da nicht alles zum Besten lief, steht auf einem anderen Blatt“, erklärte Seewald.