Freiburg – Nach Ansicht des Freiburger Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen könnte die Corona-Krise dafür sorgen, dass die Kirchensteuereinnahmen um bis zu 20 Prozent sinken. „Darauf sollten wir uns einstellen“, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): Die staatlichen Steuerschätzungen, die von etwa 13 Prozent Rückgang ausgingen, seien sehr optimistisch.
Sollte der Aufschwung nach der Krise langsamer als prophezeit kommen, so Raffelhüschen weiter, „sind wir wohl bei etwa 15 oder 16 Prozent. Und wenn wir länger am Boden liegen, eher bei 20 Prozent Ausfall.“ Allerdings ergänzte er auch: „Ich bin kein Spökenkieker, ich kann nicht die Zukunft voraussehen.“
50 Prozent aller Mitglieder zahlen gar keine Kirchensteuern
Der Effekt durch Kurzarbeit sei „wahrscheinlich weniger entscheidend, denn die betrifft überwiegend Menschen mit eher geringerem Einkommen, die für das Gesamtaufkommen der Kirchensteuer nicht ganz so ausschlaggebend sind“. Man müsse im Blick behalten, so der Experte, dass 50 Prozent aller Mitglieder gar keine Kirchensteuern zahlten und die obersten fünf Prozent in der Einkommensstatistik der Kirchenmitglieder mehr als 50 Prozent der Kirchensteuer: „Darunter sind sehr viele Selbstständige. Da kommt es jetzt darauf an, wie stark diese Leute von der Krise getroffen werden.“
Raffelhüschen hatte 2019 eine große Studie zur Zukunft der Kirchen geleitet. Danach sinken bis 2060 sowohl die Mitgliederzahlen als auch das Kirchensteueraufkommen auf etwa die Hälfte. Allerdings hätten die Kirchen bis dahin noch etwas Zeit und vor allem in den kommenden Jahren noch genügend Ressourcen, um eine nachhaltige Umgestaltung in die Wege zu leiten.
Problem werde dringender
Die aktuelle Krise mache das Problem jetzt „ein Stück dringender“, betonte der Finanzwissenschaftler. Und natürlich gebe es große Unterschiede zwischen einzelnen Bistümern und Landeskirchen. Insgesamt gesehen aber hätten die Kirchen genügend Rücklagen, um zumindest einen kurzfristigen Einbruch überstehen zu können.
Bei einer längeren Krise hätten sie allerdings „ein echtes Problem“, so der Experte weiter: „Aber dann haben wir als Gesellschaft noch ein viel viel größeres Problem. Denn wir können nicht auf Wachstum verzichten. Sonst können wir auch keine Beatmungsgeräte mehr bauen, keine Impfstoffe entwickeln und haben auch sonst weniger Chancen, Menschen zu retten.“