Die wachsende Gemeinde der Chaldäer übernimmt die neugotische Kirche St. Nikolaus in Essen-Stoppenberg. Pfarrer Norbert Linden übergab symbolisch den Schlüssel.
Dass eine katholische Gemeinde eine größere Kirche sucht, ist im Bistum Essen selten geworden – doch für die Pfarrei St. Nikolaus in Essen-Stoppenberg wurde dies zum Glücksfall. Mit einem feierlichen Gottesdienst hat am Sonntag, 14. Juni, die chaldäisch-katholische Gemeinde die bisherige Pfarrkirche St. Nikolaus übernommen.
Weil ihre Gemeinde in den vergangenen Jahren immer größer geworden ist, ziehen die vor allem aus dem Irak stammenden Christen aus der St.-Albertus-Magnus Kirche nun in Katernberg-Beisen in die markante neuromanische Kirche an der Essener Straße. Dies hat die deutschsprachige Pfarrei St. Nikolaus als Gottesdienststandort in ihrem Pfarrei-Entwicklungsprozess aufgegeben.
1907 eingeweihte Kriche
Wo sonst regelmäßig 300 chaldäische Christen und mehr gemeinsam Messe feiern wurden beim Festgottesdienst am Sonntagmittag coronabedingt nur einige Dutzend Männer und Frauen zusammen mit ihrem Pfarrer Rebwar Basa, Domkapitular Michael Dörnemann und Norbert Linden, dem Pfarrer der St.-Nikolaus-Pfarrei, Zeugen der ersten chaldäischen Messe in der 1907 eingeweihten Kirche.
Dörnemann, als Leiter des Pastoraldezernats im Bistum Essen auch für die muttersprachlichen Gemeinden verantwortlich, zeigte sich erfreut, dass die gewachsene chaldäische Gemeinde nun ein so attraktives neues Zuhause gefunden hat. Seit 2009 waren die Chaldäer in St. Albertus Magnus zuhause gewesen.
Schlüsselübergabe durch Pfarrer Norbert Linden
Stellvertretend für die St.-Nikolaus-Pfarrei übergab Pfarrer Linden symbolisch einen Schlüssel der Kirche an die Chaldäer. Die deutschsprachige Gemeinde hatte sich bereits in den vergangenen Wochen in Gottesdiensten und besonderen Besuchszeiten der Kirche von ihrem vertrauten Gottesdienstraum verabschiedet. In Stoppenberg möchte die Pfarrei künftig auch gebäudetechnisch stärker mit der benachbarten evangelischen Thomasgemeinde kooperieren. Schulgottesdienste und Beerdigungen wird es auch aber weiterhin in der St.-Nikolaus-Kirche geben.
Für die chaldäische Gemeinde ist der Umzug nach St. Nikolaus ein wichtiger Schritt, betonte Gemeindevorstands-Mitglied Moris Adam. So sei die Kirche für die im gesamten Ruhrgebiet lebenden rund 500 chaldäischen Familien nicht nur deutlich besser erreichbar als das bisherige Gotteshaus in Katernberg. Mit Gruppen- und Büroräumen sowie einem Saal im benachbarten Pfarr- und Jugendzentrum stehen der Gemeinde zudem weitere Räume für die Gemeindearbeit zur Verfügung, die dringend benötigt werden, berichtet Adam: „Vor Corona haben wir zum Beispiel samstags immer rund 120 Kinder zur Kinderkatechese begrüßt.“
Viele Chaldäer sind vor dem „Islamischen Staat“ geflohen
Für die Chaldäer, von denen viele in den vergangenen gut zehn Jahren angesichts der Kriege und massiven Christenverfolgungen zum Beispiel durch den „Islamischen Staat“ nach Europa geflohen sind, ist das Ruhrgebiet in Deutschland ein wichtiges Zentrum. Deshalb erwartet man auch in der Essener Gemeinde, dass die Gemeinde allein durch Zuzug von Chaldäern aus anderen Teilen Deutschlands weiter wächst, „und durch die vielen Kinder, die die meisten unserer Familien haben“, sagt Adam.
Auch die chaldäische Kirche – die mit der römisch-katholischen „uniert“, also vereinigt ist, aber eigene Kirchenstrukturen unterhält – hat die gewachsene Bedeutung der Essener Gemeinde anerkannt: Mit dem Umzug nach Stoppenberg sei man jetzt eine „Pfarrei“, sagte Adam. Und Pfarrer Rebwar Basa betreut nun von seinem Pfarrhaus neben der St.-Nikolaus-Kirche aus nicht nur die Gläubigen im Ruhrgebiet, sondern auch in den „Missionen“ in Mönchengladbach, Bonn und Stadtlohn.
Liturgie wird in Aramäisch gefeiert
Ihre Gottesdienste unterscheiden sich vom Aufbau nicht wesentlich von denen der römisch-katholischen Kirche, erläutert Moris Adam. „Allerdings singen wir sehr viel mehr.“ Gewöhnungsbedürftig dürfte für deutsche Besucher zudem die Sprache sein: Die chaldäische Liturgie wird in Aramäisch gefeiert – die Sprache, die auch Jesus Christus gesprochen hat.