Erzbischof Heße: Flüchtlingsstrom hört angesichts Corona nicht auf

Der katholische deutsche Flüchtlingsbischof Stefan Heße mahnt gerade in der Pandemie ein Festhalten am Engagement für Flüchtlinge an. „Angesichts von Corona hört der Flüchtlingsstrom natürlich nicht auf, und wir als Kirche können nicht darüber hinweggehen und sagen, es gibt Wichtigeres“, sagte der Hamburger Erzbischof am Mittwoch beim fünften Katholischen Flüchtlingsgipfel der Deutschen Bischofskonferenz, der coronabedingt erstmals als Videokonferenz stattfand.

Erzbischof Dr. Stefan Heße (Foto: © Deutsche Bischofskonferenz/Jörn Neumann)

Die Situation der Flüchtlinge in den vergangenen Monaten, insbesondere in den Lagern auf den griechischen Inseln, gebe Anlass zu großer Sorge, so der Erzbischof vor rund 150 Experten und Praktikern aus der Flüchtlingshilfe. Es gebe die Befürchtung, dass der Flüchtlingsschutz in Zeiten der Pandemie faktisch eingeschränkt werde. Der Erzbischof appellierte an die Politik, sich für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus den griechischen Camps einzusetzen. Zudem müsse gerade auch das Wohlergehen der Flüchtlingsfamilien gefördert werden.

Wichtigkeit von Familienzusammenführungen betont

Heße betonte die Wichtigkeit von Familienzusammenführungen: „Denn Familie ist ein wesentlicher Faktor für die Stabilität einer Person und das gesellschaftliche Miteinander.“ Dies unterstrich auch Thomas Faist, Professor für Transnationale Beziehungen, Entwicklungs- und Migrationssoziologie an der Universität Bielefeld: „Der Familiennachzug ist unabdingbar für die Integration.“ Gerade auch mit Blick auf Traumata oder deren Verarbeitung hätten Familien eine schützende Funktion. Zugleich gebe es beim Nachzug große Hürden. Zum einen könnten etwa volljährige Geschwisterkinder kaum nachgeholt werden, zum anderen ziehe sich der Nachzug oft über drei bis vier Jahre: „Das sind in der Regel verlorene Jahre für die Integration hier in Deutschland.“

Faist unterstrich, zur Integration von Flüchtlingen gehöre gesellschaftliche Teilhabe genauso wie soziokulturelle Anerkennung. Dazu zählten die Bereiche Bildung, Arbeit, Wohnen, Politik und Gesellschaft. „Eine erfolgreiche Teilhabe etwa in Schule und Ausbildung ermögliche überhaupt erst ein Zugehörigkeitsgefühl und Anerkennung“, so Faist. „Anerkennung wiederum ist wichtig zur Vermeidung von Diskriminierung.“

79,5 Millionen Menschen auf der Flucht

Heße erinnerte an die jüngsten Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, wonach 2019 rund 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht waren; 2015 waren 65 Millionen. „Wir dürfen niemals vergessen, dass hinter dieser riesigen Zahl Menschen stehen, die auf der Suche sind nach einem Leben in Sicherheit und Würde“, so der Erzbischof.

kna