Die Ankündigung der Türkei, die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul von einem Museum in eine Moschee umzuwandeln, hat internationale Kritik ausgelöst. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian bedauerte die Entscheidung, die einen der symbolischsten Akte der modernen und säkularen Türkei in Frage stelle. „Die Hagia Sophia muss weiterhin die Pluralität und Vielfalt des religiösen Erbes, des Dialogs und der Toleranz repräsentieren“, forderte Drian.
Der russisch-orthodoxe Außenamtschef Hilarion nannte den Schritt einen „Schlag für die Weltorthodoxie, denn für alle orthodoxen Christen auf der ganzen Welt ist die Hagia Sophia so ein Symbol wie der Petersdom in Rom für Katholiken“. Die türkische Staatsführung habe gezeigt, dass sie keine Kompromisse eingehen wolle und nicht auf Kirchenführer und Politiker höre, die für die Beibehaltung des Museumsstatus plädierten, sagte der Metropolit im russischen Fernsehen. Der Ökumenische Weltkirchenrat in Genf äußerte in einem Brief an Erdogan die Sorge, dass die Entscheidung erneut zu Spaltungen und Konflikten führen könne.
Bedauern äußerte auch der Vizepräsident der Europäischen Kommission und EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Er erinnerte die Türkei daran, dass sie sich als „Gründungsmitglied der Allianz der Zivilisationen“ zur „Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs und zur Pflege von Toleranz und Koexistenz“ verpflichtet habe.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, schrieb am Samstag auf Twitter: „Dass man in der Hagia Sophia beten darf, ist richtig, sie ist kein Museum, der Säkularismus Atatürks war gegen jede Religion. Könnte diese großartige Kirche nicht ihre 900 christliche und 500 Jahre islamische Geschichte dadurch spiegeln, dass Muslime und Christen darin beten?“, regte er eine gemeinsame Nutzung an.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek: „Können nicht Muslime und Christen im großen Gotteshaus jeweils ihren Gottesdienst beten?“, schrieb er am Samstagnachmittag auf Twitter. Dies könne ein großes und einzigartiges Zeichen des gegenseitigen Respektes und eine Geste tiefen Religionsverständnisses sein. Im Hinblick auf den Dialog der Religionen und Völker könne Erdogans Entscheidung problematisch sein. Zugleich betonte er, die Hagia Sophia, wo über ein Jahrtausend gebetet wurde, sei kein Museum.
Die Deutsche Bischofskonferenz zeigte sich besorgt und warb „für eine politische Entscheidung, die die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärkt, statt Bitterkeit zu schüren und Fliehkräfte zu begünstigen“, sagte Sprecher Matthias Kopp bereits am Freitag.
Griechenlands Präsidentin Katerina Sakellaropoulou sprach von einem „zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft“. Die Entscheidung beleidige auf „brutale Weise das historische Gedächtnis, untergräbt den Wert der Toleranz und vergiftet die Beziehungen der Türkei zur gesamten zivilisierten Welt“, schrieb sie auf Twitter.
Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hatte am Freitag den Status des berühmten Bauwerks als Museum aufgehoben. Erdogan unterzeichnete darauf ein Dekret zur Nutzung als Moschee. In einer TV-Ansprache kündigte er für 24. Juli das erste Freitagsgebet in der Hagia Sophia an.
Die Hagia Sophia („Göttliche Weisheit“) wurde 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ machte sie 1934 zum Museum.