Mainz – Die katholische Kirche sollte sich nach Ansicht des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf stärker von einer traditionsreichen Einrichtung hin zu einem Ort für Glaubenserfahrungen wandeln. „Wenn das Christentum nur noch Institution ist, ein Sammelbecken großartiger Theorien, dann bleibt es nicht aus, dass Menschen der Kirche und dem Christentum den Rücken kehren, dass es nach und nach uninteressant wird“, sagte Kohlgraf am Wochenende bei einer Priesterweihe, wie das Bistum mitteilte. „Auf Traditionen allein können wir unser Christsein und Kirchesein nicht mehr bauen“, betonte Kohlgraf.
Der Mainzer Bischof lenkte den Blick auf Glaubenserfahrungen: „Jemand muss Erfahrungen im Glauben machen, er muss erfahren, wie schön es sein kann, an Gott zu glauben, wie gut es ist, zu einer Glaubensgemeinschaft zu gehören, dann wird er sich für den Glauben interessieren, dann wird er Christ bleiben.“
Nach den wirklichen Gründen des Glaubens suchen
Ausgangspunkt von Kohlgrafs Predigt war ein Zitat des Jesuiten Karl Rahner (1904-1984), der als einer der bedeutendsten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts gilt: „Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein, oder er wird gar nicht mehr sein. Er wird jemand sein, der Gott erfahren hat, oder er wird aufhören, Christ zu sein.“ Kohlgraf sagte: „Wir spüren heute deutlich, dass Karl Rahner Recht hatte: Wir müssen heute mehr als nach Gewohnheiten nach den wirklichen Gründen des Glaubens suchen und Menschen diese Gründe überzeugend anbieten.“
Wer Priester werde, solle „an Gottes Gegenwart erinnern, aber nicht mit gewandten Worten oder mit schlauen Argumentationen“, so Kohlgraf. Ein Priester solle andere teilhaben lassen „an seinen Glaubenserfahrungen, an seinen Fragen und seiner Gottesnähe, an seinen Zweifeln durchaus, damit Gott nicht schöne Theorie bleibt“.
Es gehe „nicht um eine schöne neue Verpackung“
Wenn heute eine moderne Verkündigungssprache gefordert werde, gehe es „nicht um eine schöne neue Verpackung“. Vielmehr brauche es Menschen, die „etwas erfahren“ hätten und aus dieser Erfahrung heraus lebten – also „Zeugen“ oder „Mystiker“, so Kohlgraf. Der Bischof weihte den Karmeliten Bruder Severin Tyburski im Mainzer Dom zum Priester.