Osnabrück – Angesichts wieder steigender Corona-Infektionen warnen Ärzte- und Krankenhausvertreter vor einem „Vermeidungseffekt“, bei dem Erkrankte Praxen und Kliniken scheuen. „Wer krank ist sollte auch und gerade in Corona-Zeiten einen Arzt konsultieren“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag). In den ersten Monaten der Corona-Pandemie hätten viele Menschen „aus Angst vor einer Infektion ärztliche Hilfe zu spät oder gar nicht gesucht“.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, ergänzte: „Wenn das Vermeidungsverhalten anhält, könnte die Zahl komplizierter OPs weiter ansteigen. Auch zu spät diagnostizierte Krankheiten könnten mittelfristig zu Problemen führen.“
„Vermeidungseffekt“ zeigt sich bei Früherkennung
Der „Vermeidungseffekt“ in der ersten Corona-Welle zeigte sich laut Reinhardt etwa bei Früherkennungsuntersuchungen, der Krebsdiagnostik und der Behandlung chronischer Erkrankungen. „Die Notaufnahmen verzeichneten einen Rückgang von Patienten mit Herzproblemen um rund 30 Prozent, während die Komplikationen nach einem Herzinfarkt deutlich zugenommen haben“, sagte er. Solche „Kollateralschäden“ stellten sehr wahrscheinlich ein relevantes Problem für die Gesundheit der Menschen dar.
Baum nannte es einen „Anlass zur Sorge, dass Patienten auch bei akut behandlungsbedürftigen Beschwerden die Krankenhäuser aus Angst vor Ansteckung gemieden haben“. Auch habe es einen merklichen Rückgang bei nicht dringlichen Krebsbehandlungen wie der Nachsorge gegeben. Beide warnten mit Blick auf die Infektionskurven davor, verfrüht Klinikkapazitäten für Corona-Patienten zu reservieren. Zwar stiegen die Zahlen. „Ein erneutes Umschalten in den Krisenmodus wäre aber erst notwendig, wenn wir uns wieder einem Infektionsgeschehen nähern wie wir es im März oder April hatten“, sagte Ärztepräsident Reinhardt.
Versorgung zu keinem Zeitpunkt gefährdet
Laut DKG-Geschäftsführer Baum steht fest, dass „die Versorgung hilfsbedürftiger Patienten in den Kliniken zu keinem Zeitpunkt gefährdet war oder ist“. Die Krankenhäuser hätten die Zahl ihrer Intensivbetten von ursprünglich rund 28.000 auf 40.000 gesteigert, erklärte Baum. Daher seien sie in kurzer Zeit in der Lage, bei Bedarf erforderliche Behandlungskapazitäten frei zu machen.