„Fünf Orte – ein Weg“ lautete das Motto der Regionenkonferenzen, mit denen Bischöfe und Laien den Synodalen Weg zur Zukunft kirchlichen Lebens fortsetzten. Die Treffen offenbarten einmal mehr großen Redebedarf.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sprach von einem „Zwischenstopp“, andere vom Neubeginn nach Corona. Die Pandemie wirbelte den Fahrplan für den Synodalen Weg gehörig durcheinander. Eigentlich hatten die Organisatoren Anfang September eine Vollversammlung aller 230 Teilnehmer des Reformdialogs vorgesehen. Wegen Corona wurden daraus fünf regionale Treffen, die allesamt am Freitag stattfanden. Ein Experiment auf diesem ohnehin experimentell angelegten Weg, der in der katholischen Kirche weltweit bislang einzigartig ist.
Marx warnte warnt vor Aberglaube und Verschwörungstheorien
Am Vormittag stand eine Aussprache über die Folgen der Corona-Krise für das kirchliche Leben auf dem Programm. Wie unter einem Brennglas habe sie Probleme, aber auch Neuaufbrüche und damit Chancen sichtbar gemacht, lautete ein Zwischenfazit der Delegierten. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx warnte dabei vor Aberglaube und Verschwörungstheorien. Manche Briefe, die ihn erreicht hätten, zeugten von „magischen Vorstellungen“. Dazu gehöre die Überzeugung, sich bei der Kommunion nicht mit dem Virus anstecken zu können.
Mitgliederschwund, verkrustete Machtstrukturen – Krisen seien immer „Beschleuniger von Entwicklungen“, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. „Und so werden auch die kirchlichen Reformbestrebungen durch Corona beschleunigt.“ Der Würzburger Bischof Franz Jung betonte, bei Corona dürften nicht nur Defizite der Kirche gesehen werden; tatsächlich sei sozial, karitativ und seelsorglich viel auf die Beine gestellt wurden. Da es nicht gelungen sei, das zu kommunizieren, habe es „viele vernichtende Kommentare“ gegeben, die ihn sehr getroffen hätten.
Kontroverse Diskussionen zu Themen Frauen und Sexualität
Am Nachmittag dann teils kontroverse Diskussionen zu den Themen Frauen und Sexualität. „Was sagen Sie denn, wenn in einer Jugendrunde einer zu Ihnen kommt und sagt: Diese Woche habe ich mit fünf Menschen geschlafen – und fühl mich eigentlich jetzt nicht so gut?“, fragte Franziska Kleiner, Bildungsreferentin im Erzbistum Berlin und eine der „U30-Delegierten“, die in der Hauptstadt anwesenden Bischöfe.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser äußerte in Dortmund seine Hoffnung auf eine merkliche Änderung der katholischen Sexualmoral. „Der Knackpunkt ist, dass viele Menschen die katholische Auffassung von Sexualität an vielen Stellen als diskriminierend empfinden“, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Missstimmung über Arbeitspapier
Missstimmung hatte es im Vorfeld über ein Arbeitspapier des Frauen-Forums gegeben – eine von vier Arbeitsgruppen, die inhaltliche Vorarbeiten für die zentralen Themen des Synodalen Wegs leisten. Mit Blick auf Kritik des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer räumten die Verantwortlichen Versäumnisse ein. Voderholzer, Mitglied des Frauen-Forums, hatte in einem Offenen Brief beklagt, dass absprachewidrig Textbestandteile publiziert worden seien, über die das Forum noch nicht beraten habe. Er selbst sei nicht einbezogen worden. Außerdem, so Voderholzer weiter, lasse der Text „jedes theologische Niveau vermissen“. Darin heißt es unter anderem, Jesus habe Jüngerinnen und Jünger gehabt und niemanden geweiht. Daraus waren Forderungen für mehr Mitwirkung von Frauen in der Kirche abgeleitet worden.
kfd: Arbeitspapier zu Sexualität neu schreiben
Die Geschäftsführerin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Brigitte Vielhaus, fordert, den synodalen Vorbereitungstext zum Thema Sexualität komplett zu überarbeiten. Nötig sei eine stärker „positive Wertschätzung von Sexualität“. Kirchenvertreter sollten sich grundsätzlich „in Demut zurückhalten, sich zu Fragen von Sexualität zu äußern“, so Vielhaus. Denn die katholische Sexualmoral habe in der Vergangenheit zu vielen Verletzungen bei Menschen geführt, etwa bei Homosexuellen.
Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp rechtfertigte seinen Rückzug aus dem Forum, das sich mit der Sexuallehre der Kirche befasst. Es sei für ihn keine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, sondern „ein Bruch“, wenn sexuelle Lust nicht an „Fruchtbarkeit“ und „Weitergabe des Lebens“ angebunden sei, so Schwaderlapp in Frankfurt.
Svenja Stumpf vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend plädierte dagegen für eine Weiterentwicklung der katholischen Morallehre. Dann müsse sich die Kirche in 100 Jahren nicht wieder entschuldigen so wie zuletzt gegenüber Homosexuellen. Pastoralreferent Konstantin Bischoff kritisierte, dass von der Kirche bei ihren Mitarbeitern nichts so stark kontrolliert werde „wie das Schlafzimmer“. Der Dominikaner Simon Hacker warf der Kirche vor, mit ihrer Lehre in Bezug auf Homosexualität und Frauen Menschen den Weg zum Evangelium zu versperren. „Ist es das wert?“, so seine Frage.
Unmut über schwer verständliche und abgehobene Sprache
Einmal mehr machten manche Delegierte ihrem Unmut über eine nach ihrer Ansicht schwer verständliche und abgehobene Sprache in den Papieren Luft. Kardinal Marx bemerkte dazu, das theologische Fundament müsse zwar stimmen, die Dokumente sollten aber nicht den Charakter von Oberseminaren haben.
Unterdessen demonstrierten vor den Konferenzorten Frauen mit Mahnwachen und Plakaten. „Schweigen war gestern, Schwestern“ oder „Wenn ich groß bin, werde ich Päpstin“, war darauf zu lesen.
Sternberg: „Der Geist des Aufbruchs lebt“
Zum Auftakt der Treffen hatte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, von einer guten Stimmung unter den Teilnehmern des Reformdialogs gesprochen: „Der Geist des Aufbruchs lebt.“ Und der Geist weht bekanntlich, wo er will – vielleicht auch bei der nächsten Synodalversammlung im Februar 2021 in Frankfurt, wo nicht nur die Papiere zu Frauen und Sexualmoral, sondern vielleicht auch die zu priesterlichen Lebensformen und Macht beraten werden.