Münster. Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide begrüßt den von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ins Leben gerufenen „Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“, äußert aber auch Bedenken. Zweifellos gebe es in Deutschland Hetze von Rechtsradikalen und Populisten gegen Muslime. Das neue Gremium dürfe aber nicht dazu beitragen, berechtigte Kritik an freiheitsgefährdenden und patriarchalischen Erscheinungsformen des Islam mit Schlagworten wie „Islamophobie“ und „Muslimfeindlichkeit“ zu diffamieren, sagte Khorchide am Samstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Es gebe in der Mehrheitsgesellschaft begründete Ängste vor einem wahrgenommen stärker werdenden orthodoxen Islam, die man ernst nehmen sollte, so der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster. „Außerdem ist mir das Konzept zu einseitig, wenn nicht auch die innermuslimische Feindlichkeit thematisiert wird – nämlich gegen liberale Muslime und Reformbefürworter, von denen etliche inzwischen nur noch unter Polizeischutz leben können.“
Khorchide: „Wer schützt Muslime vor anderen Muslimen?“
Als Beispiele nannte er kritische Muslime wie den Politologen Hamed Abdel-Samad und die Frauenrechtlerin Seyran Ates, die Todesdrohungen von radikalen Muslimen erhielten. „Wer schützt Muslime vor anderen Muslimen?“, so Khorchide. Er warnte vor einer „Identitätspolitik“, die die Gesellschaft in eine Ansammlung von schutzbedürftigen Minderheiten einteile. „Im Grunde geht es doch darum, dass wir uns gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit wehren, unabhängig von der jeweiligen, auch religiösen, Identität.“
Bundesinnenminister Seehofer hatte am 1. September einen „Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ mit zwölf Vertretern aus Wissenschaft und Praxis ernannt, die im Auftrag seines Ministeriums die Muslimfeindlichkeit in Deutschland erforschen sowie Vorschläge zu Vorbeugung und Bekämpfung erarbeiten sollen. Vergangene Woche trat das Gremium erstmals zusammen.