Erzbistum Köln entzieht Kanzlei Auftrag für Missbrauchsstudie

Kardinal Woelki (Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0)

Das Erzbistum Köln hat der Münchner Kanzlei „Westpfahl Spilker Wastl“ den Auftrag für seine unabhängige Missbrauchsstudie entzogen und damit den Kölner Strafrechtsexperten Björn Gercke beauftragt. Die Studie über den Umgang der Bistumsspitze mit Missbrauchsfällen solle spätestens bis zum 18. März 2021 veröffentlicht werden, teilte das Erzbistum Köln am Freitag mit. Die ursprünglich für den 12. März dieses Jahres angesetzte Präsentation hatte das Erzbistum kurzfristig abgesagt. Die geplante Benennung von Fehlverhalten ehemaliger oder aktiver Entscheidungsträger sei noch rechtlich abzusichern, so die damalige Begründung.

Vollständige Neufassung der Untersuchung

Laut Erzbistum verantwortet Gercke eine vollständige Neufassung der Untersuchung. Das Ende der Zusammenarbeit mit „Westpfahl Spilker Wastl“ sei notwendig geworden, hieß es unter Berufung auf externe Gutachter. Denn die im Dezember 2018 beauftragte Kanzlei habe „die Anforderungen an die unabhängige Untersuchung nach wie vor nicht erfüllt“.  Die Anwälte seien wiederholt an ihrem Versprechen und den Erwartungen gescheitert, die persönlichen Verantwortlichkeiten in Form eines rechtssicheren und belastbaren Gutachtens aufzuarbeiten und einen zur Veröffentlichung geeigneten Bericht zu erstellen. „Alle Bitten um konstruktive und methodische Nachbesserungen wurden vonseiten Westpfahl Spilker Wastl entweder nicht umgesetzt oder blieben deutlich hinter den notwendigen Maßnahmen zurück“, so das Erzbistum.

Das Erzbistum äußerte sich in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Betroffenbeirat der Erzdiözese, in dem Missbrauchsopfer mitwirken. Mit dem Gremium hatten der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und Generalvikar Markus Hofmann am Donnerstag über den Fortgang der Untersuchung beraten und eine einvernehmliche Entscheidung getroffen. Dieser liege eine wissenschaftliche Einschätzung des Münchner Gutachtens durch den Erlanger Kriminologen Franz Streng und dem Richter am Frankfurter Oberlandesgericht, Matthias Jahn, zugrunde. Darin heiße es: „Das Gutachten der Rechtsanwälte Westpfahl Spilker Wastl leidet an durchgreifenden methodischen Mängeln“. Es sei demnach „keine taugliche Grundlage“ für die Benennung persönlicher Verantwortlichkeit von Entscheidungsträgern durch Tun oder pflichtwidriges Unterlassen nach kirchlichem und staatlichem Strafrecht.

Vertrauen bei Betroffenen verloren

„In den letzten Monaten haben wir wertvolles Vertrauen bei den Betroffenen verloren“, erklärte Woelki. „Unser Weg war nicht frei von Fehlern“. Er sei zuversichtlich, dass „die neue Konstellation der Gutachter“ zu einem rechtssicheren Ergebnis kommen werde. Zudem beauftragte er eine Arbeitsgruppe aus Fachleuten der Intervention, Prävention und Kommunikation, die Veröffentlichung der Untersuchung zu begleiten.

Der Sprecher des Betroffenenbeirats, Patrick Bauer, zeigte sich „enttäuscht und wütend“ über die Münchener Kanzlei. „Wir haben dem Kardinal geraten, die Zusammenarbeit mit Westpfahl Spilker Wastl sofort zu beenden und Schadensersatz zu fordern“. Das Erzbistum kündigte an, rechtliche Schritte zu prüfen.

Erstes Gespräch im Dezember

Vereinbart ist den Angaben zufolge, dass der neu beauftragte Gercke den Betroffenenbeirat über die jeweiligen Untersuchungsschritte informiert. Ein erstes Gespräch finde im Dezember statt. Es bleibe aber dabei, dass der Inhalt des Berichts weder Woelki noch Hofmann oder anderen Verantwortlichen des Erzbistums vorab bekannt wird.

Auch das Bistum Aachen hatte „Westpfahl Spilker Wastl“ mit einer ähnlichen Untersuchung beauftragt. Die Ergebnisse sollen nach einer Ankündigung der Kanzlei im November präsentiert werden. Dazu wurden laut Diözese alle Personalakten aus der Zeit zwischen 1965 bis 2019 – insgesamt mehr als 30.000 Dokumente – an die Kanzlei übergeben.

Von Andreas Otto (KNA)