Woelki im Fokus der Kritik

Die Leitung des Erzbistums Köln steht wegen eines unveröffentlichten Missbrauchsgutachten in der Kritik. Gegenwind erhält die Erzdiözese auch wegen eines Konflikts mit der Katholischen Hochschulgemeinde.

Kardinal Woelki

Kardinal Rainer Maria Woelki (Foto: © bilder-erzbistum-koeln.de/Reiner Diart)

Schonungslosigkeit – die hatte Kardinal Rainer Maria Woelki für die Aufklärung der Kölner Missbrauchsfälle versprochen. Schonungslos fegt nun über den Erzbischof ein Sturm der Kritik – weil er ein Gutachten über Fehlverhalten von Bistumsverantwortlichen nicht veröffentlicht. Der Bruch mit den Verfassern der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) stößt auch in der Kirche auf Unverständnis. Denn dieselbe Sozietät hat kürzlich eine gleichartige Untersuchung für das Bistum Aachen vorgestellt. Harte Vorwürfe treffen dort Altbischof Heinrich Mussinghoff (80) und den langjährigen Generalvikar Manfred von Holtum (76): Sie hätten Täter geschützt und Opfer missachtet.

Zahlreiche katholische Verbände lassen kein gutes Haar an der Kölner Aufarbeitungs-Regie. Bewegungen wie „Wir sind Kirche“ oder Maria 2.0, die Laienvertretung, Pastoral- und Gemeindereferenten, die Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP) und sogar der Bund katholischer Unternehmer drängen auf Aufklärung. Die katholische Jugend (BDKJ) forderte gar den Rücktritt Woelkis. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) verlangte am Wochenende die vollständige Offenlegung des WSW-Gutachtens.

Woelki und Hofmann stehen im Ruch der Vertuschung

Vor der schrecken Woelki und sein Generalvikar Markus Hofmann zurück – wodurch sie nun ihrerseits in den Ruch der Vertuschung geraten. Schon für März planten sie eine Präsentation, sagten diese aber ab, um die geplante Benennung des Fehlverhaltens von Entscheidungsträgern noch rechtlich abzusichern. Denn die so angeschwärzten Kleriker könnten in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt werden und klagen, so die Befürchtung. WSW besserte zwar nach, löste aber aus Sicht von zwei eingeschalteten Spezialkanzleien die „äußerungsrechtlichen“ Probleme nicht. Mehr noch: Zusätzlich um Rat gefragte Jura-Professoren bescheinigten der WSW-Expertise „methodische Mängel“, woraufhin Woelki und Hofmann der Kanzlei die Zusammenarbeit aufkündigten. Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke soll nun bis März 2021 ein neues Gutachten vorlegen.

Darüber informierte das Erzbistum in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Beirat von Betroffenen sexualisierter Gewalt, der diesem Vorgehen zunächst geschlossen zustimmte. Doch einige Mitglieder fühlen sich über den Tisch gezogen. Die Sprecher Patrick Bauer und Karl Haucke verließen das Gremium und warfen Woelki einen „erneuten Missbrauch von Missbrauchsopfern“ vor. In der entscheidenden Sitzung seien sie von Juristen „völlig überrannt“ worden. „Wir sollten das Zertifikat liefern: vom Beirat abgesegnet“, so Haucke. Die Entscheidung sei zum Zeitpunkt der Sitzung „längst gefallen“, meint Bauer, weil der neue Gutachter schon sechs Wochen zuvor alle Akten erhalten habe. Derweil beteuert Woelki weiter den Willen zur Aufklärung; auch Gercke werde Versäumnisse von Verantwortlichen benennen.

Heße hat Vatikan eingeschaltet

Aber nicht nur der Erzbischof am Rhein, auch der an der Elbe steht im Feuer der Kritik. Stefan Heße, seit 2015 Erzbischof von Hamburg, war früher Personalchef und Generalvikar in Köln. Medien zitieren Teile des Gutachtens und werfen ihm Vertuschung vor, was Heße vehement bestreitet. Jetzt hat er den Vatikan eingeschaltet, der über seinen Verbleib im Amt entscheiden soll, wenn das Gutachten im März vorliegt. Sein Amt als Geistlicher Assistent des ZdK lässt er vorerst ruhen.

Zwei Fälle fallen Heße vor die Füße. Einmal geht es um Pfarrer U., der sich in den 1990er-Jahren an drei Nichten vergangen haben soll. Die vor zehn Jahren eingestellten Ermittlungen hat der Staatsanwalt wieder aufgenommen und den Priester in diesem Sommer angeklagt. Heße soll den Fall nicht nach Rom weitergeleitet haben. Die innerkirchliche Aufklärung von Übergriffen soll er laut Medienberichten auch im Fall des heute 87-jährigen Pfarrers A. verhindert haben. Dieser wurde zwei Mal wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen verurteilt und konnte trotzdem außer in Kölnspäter auch in den Bistümern Münster und Essen arbeiten. Mehrere Bischöfe versäumten es, ihn seines Amtes zu entheben.

Unterdessen hat die Kölner Erzdiözese wegen einer anderen Sache Kritik auf sich gezogen. Sie sperrte die Homepage der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Köln, weil Mitarbeiter ein Positionspapier mit harscher Kritik an der kirchlichen Sexualmoral und dem Lehramt nicht entfernten. Katholische Laienvertretung, Jugendverbände, Maria 2.0 solidarisierten sich mit der KHG ebenso wie die Konferenz für Katholische Hochschulpastoral (KHP) und die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Hochschulgemeinden (AKH). Ihr Vorwurf: Das Erzbistum stelle die „Glaubwürdigkeit der Hochschulgemeinden als Orte des vorurteilsfreien Diskurses in Frage“. Das umstrittene Papier findet sich immer noch im Internet – auf der Seite der Evangelischen Studierenden Gemeinde Köln (ESG).

Von Andreas Otto (KNA)