Die Hoffnung, Weihnachten dieses Jahr wie üblich zu gestalten, schwindet. Umso nötiger ist es, angesichts der düsteren Aussichten etwas Licht und Wärme in die Wohnzimmer zu bringen. Oder macht das alles noch schlimmer?
Bonn – Wie hatten wir uns doch stets beklagt, wenn wir schon Ende August die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen entdeckten. Und wie nervte uns die „Jingle Bells“- Dauerbeschallung in den Einkaufsmeilen. Ganz zu schweigen von dem Plastikschrott im Santa-Claus-Kostüm oder den Rentieren mit blinkendem LED-Licht als Nase! Doch dieses Jahr ist alles anders. Immer her damit, was glitzert und strahlt! Jedes Christmas-Gedudel ist uns mittlerweile lieber als die ewige Litanei, dass dieses Weihnachten uns ganz besonders viele Verzichtsübungen abverlangt, etwa die Einschränkung unserer sozialen Begegnungen.
Zeichen gegen die Pandemie
Die Kaufhäuser sind wie jedes Jahr geschmückt mit dem üblichen Weihnachtsdekor. Doch dieses Jahr hat es etwas Aufrührerisches – ein Zeichen gegen die Pandemie, die uns immer noch im Würgegriff hat. Die Einkaufstempel sind im Teil-Lockdown nur rar besucht, Besserung ist nicht in Sicht. Diejenigen, die dort einkaufen, wollen Arbeitsplätze sichern, halten sich nur kurz dort auf und greifen zielsicher nach dem Objekt ihrer Begierde. Schlendern mit Maske macht keinen Spaß. Wer guckt da aufs weihnachtliche Dekor?
Erschwerend kommt hinzu: Advents- und Weihnachtsmärkte fallen in diesem Jahr meist aus. Sie sind ein wichtiger Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen, die dann auch in den örtlichen Geschäften ihre Weihnachtseinkäufe erledigen. Der Umsatz im Advent ist für viele Geschäfte überlebenswichtig. Das schon vor der Pandemie einsetzende Geschäftssterben in den Innenstädten konnte bislang dadurch vermindert werden. Deswegen setzen viele Bürgermeister nun verstärkt auf die Weihnachtsbeleuchtung in ihren Einkaufsstraßen. Dass die örtlichen Geschäftsverbände, die normalerweise die Kosten in fünf- bis sechsstelliger Höhe tragen, damit noch weiter unter finanziellen Druck geraten, steht zu befürchten. Im bayerischen Rosenheim übernimmt jedenfalls die Stadt schon mal die Kosten von 81.000 Euro. Bei solch dunklen Fest-Aussichten sollen nicht auch noch düstere Straßen und Plätze diese Misere drastisch vor Augen führen.
Der Schnickschnack ist nun mehr als Ambiente
So kommt in diesem Jahr dem Weihnachtsdekor eine wichtigere Rolle zu: als Lametta für die Seele. Der Schnickschnack ist nun mehr als Ambiente, er lenkt ab. Er erinnert an die beschaulichen Weihnachten, wie wir mit Familie oder Freunden zu feiern gewohnt sind. Darin steckt die Verheißung, dass wir nächstes Jahr unsere alten Gepflogenheiten wieder aufnehmen können. Im Ausnahmezustand hat es den Menschen immer geholfen, wenigstens für einige Stunden ihre alte Normalität zu simulieren.
Aber genau darin liegt auch ein Problem. Was in Kriegszeiten oder angesichts von Naturkatastrophen noch möglich ist, nämlich dass Menschen zusammenrücken in der Not, das vereitelt Corona ja gerade. Schön illuminierte Straßen sind ein gefährlicher Publikumsmagnet, aus Menschenansammlungen werden schnell Hotspots. Soll man Weihnachten nun aus dem öffentlichen Raum verbannen und in die Privaträume verlegen? Ob allerdings den Menschen in ihren Wohnungen im kleinen Rahmen nach Feiern zumute ist, wenn zudem die Zahl der zugelassenen Personen begrenzt wird, ist offen. Soll man sich dennoch ein dermaßen heruntergedimmtes Event noch besonders ausschmücken? Oder ist hier ein trotziges „Jetzt erst recht!“ angebracht, das mit gewohnten Ritualen gegen diese noch nie dagewesene Situation anfeiert?
Bei Stoßlüftung empfehlen sich naturgemäß Elektrokerzen
Es mögen die Details sein, die uns Halt geben, gerade jetzt – im Gewohnten fühlt man sich in Krisenzeiten am ehesten geborgen. Da ist es gut, auf gewisse kulinarische oder kulturelle Gewissheiten zurückgreifen zu können. Eine Warnung sollte aber auch von allen Weihnachtsliebhaber beherzigt werden: Das gemeinsame Absingen von Liedern versprüht vermehrt Aerosole, bei Stoßlüftung empfehlen sich naturgemäß Elektrokerzen.
Von Andreas Öhler (KNA)