Debatte über Rangfolge bei Corona-Impfungen

Der Impfstoff ist in Sicht. Doch zugleich zeichnen sich Konflikte bei der Verteilung ab. Die Ständige Impfkommission hat jetzt einen Vorschlag vorgelegt, der Prioritäten benennt.

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Kann es noch im Dezember mit dem Impfen losgehen? Die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert-Koch-Instituts schließt das nicht ganz aus. Sie rechne damit, dass ein Impfstoff Ende des Jahres oder Anfang 2021 zur Verfügung stehe, heißt es in den am Montag in Berlin veröffentlichten Empfehlungen für die Corona-Massenimpfung in Deutschland. Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU) hatten am Wochenende jedoch die Erwartungen gedämpft; sie sprachen von einem Impfstart Anfang Januar.

Bgrenzte Verfügbarkeit des Impfstoffs

Umstrittener ist allerdings die Frage, wer zuerst eine Impfung erhält. Aufgrund begrenzter Verfügbarkeit des Impfstoffs solle die Impfung zunächst Personengruppen angeboten werden, die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe haben oder die beruflich entweder besonders exponiert sind oder engen Kontakt zu verletzlichen Personengruppen haben, heißt es in den Empfehlungen der Stiko.

Konkret sollen zunächst Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen, Personen im Alter von über 80 Jahren, Personal mit besonders hohem Risiko in medizinischen Einrichtungen, Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu verletzlichen Gruppen, Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege sowie andere Tätige in Senioren- und Altenpflegeheimen mit Kontakt zu den Bewohnern geimpft werden. Das wären den Angaben zufolge ungefähr 8,6 Millionen Menschen.

Eugen Brysch fordert Vorrang für die Pflegebedürftigen

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz vermeidet die Stiko mit diesem Katalog eine klare Prioritätensetzung. „Über acht Millionen Menschen scheinbar gleichberechtigt bei der Priorität auf Nummer eins zu setzen, kann nicht funktionieren“, sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Er forderte Vorrang für die Pflegebedürftigen und Schwerstkranken. Erst danach sollten Menschen an der Reihe sein, die in medizinischen und pflegerischen Bereichen arbeiten. „Wenn die Bundesregierung jetzt von dieser klaren Rangfolge abweicht, macht das Pflegebedürftige schnell zu Verlierern beim Kampf um die erste Impfung“, warnte Brysch. Am Wochenende hatte er gemahnt, auch bei Berufsgruppen wie Ärzten und Pflegekräften Unterschiede zu machen. Ein Diplom oder eine frühere Tätigkeit in den Berufen dürfe für eine vorrangige Impfung nicht ausreichen.

Sozialverbände warnen vor sozialen Konflikten und Ungleichheit

Zuvor hatten weitere Sozialverbände vor sozialen Konflikten und Ungleichheit im Umgang mit den Impfungen gewarnt. „Sobald es einen zugelassenen Impfstoff gibt, werden wir eine Verteilungsdebatte erleben“, sagte Ulrich Schneider (Der Paritätische).  Zuerst würden voraussichtlich gesundheitliche Risikogruppen und medizinisches Personal geimpft, so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Danach diejenigen, „die die Wirtschaft am Laufen halten und als systemrelevant gelten“. Wer hingegen aus gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht als weniger wichtig angesehen werde, werde „hinten anstehen müssen“, warnte Schneider.

Zudem werde sich die Verteilung des Impfstoffs zu einem Konflikt zwischen Arm und Reich entwickeln, sobald weltweit mehr Impfdosen verfügbar seien. „Dann werden Reiche womöglich Wege suchen, um die lange Warteschlange beim Impfen zu umgehen, indem sie sich das Präparat gegen viel Geld im Ausland beschaffen. Das darf nicht sein“, mahnte der Experte. Die Politik müsse alle Anstrengungen unternehmen, um das zu unterbinden.

Vorschläge der Impfkommission jetzt drei Tage lang zur Diskussion

Auch der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, warnte vor Ungerechtigkeit bei der Verteilung des Vakzins. Es sei zu verhindern, „dass diejenigen mit den größeren Ressourcen sich bevorzugten Zugang zu Impfungen verschaffen können und so eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht“.

Das Gesundheitsministerium verwies am Montag darauf, dass die Vorschläge der Impfkommission jetzt drei Tage lang zur Diskussion stehen. Länder und medizinische Fachgesellschaften können Stellung beziehen. Dann wird die Empfehlung veröffentlicht. Auf deren Basis erstellt das Gesundheitsministerium dann eine Rechtsverordnung, die noch im Dezember veröffentlicht werden soll.

Von Christoph Arens (KNA)