Experte: Kein Unterschied zwischen Gottesdiensten und Theater

Im Vorgehen gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus kritisiert der Regensburger Verfassungsrechtler Thorsten Kingreen, dass Gottesdienste anders behandelt werden als Kultureinrichtungen.
Berlin (KNA) Im Vorgehen gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus kritisiert der Regensburger Verfassungsrechtler Thorsten Kingreen, dass Gottesdienste anders behandelt werden als Kultureinrichtungen. Das finde er "schwierig", sagte Kingreen der "Welt" (Mittwoch). "Ich kann keinen Unterschied zum Theater sehen. Bei Theatern könnte man die Personen mithilfe der Eintrittskarten leicht nachverfolgen. Und damit auch Infektionsketten."

–Symbolfoto:Nachrichten_muc/Pixabay

Im Vorgehen gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus kritisiert der Regensburger VerfassungsrechtlerThorsten Kingreen, dass Gottesdienste anders behandelt werden als Kultureinrichtungen. Das finde er „schwierig“, sagte Kingreen der „Welt“ (Mittwoch). „Ich kann keinen Unterschied zum Theater sehen. Bei Theatern könnte man die Personen mithilfe der Eintrittskarten leicht nachverfolgen. Und damit auch Infektionsketten.“

Ebenso wie die freie Religionsausübung sei auch das Theater ein Grundrecht. „Das Theater ist durch die Kunstfreiheit in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes genauso geschützt wie die Religionsfreiheit durch Artikel 4. Es gibt keinen Unterschied“, betonte Kingreen.

„Ungleichbehandlung“ von Theatern und Gottesdiensten sei schwer nachzuvollziehen

Die „Ungleichbehandlung“ sei auch deshalb schwer nachzuvollziehen, weil insgesamt viele Kultureinrichtungen im Sommer „ausgefeilte Hygienekonzepte“ entwickelt hätten. „Nun wird ihnen gesagt: ‚Ist das Kunst? Dann kann das weg.‘ Das halte ich für gleichheitswidrig und hoffe, dass das die Verwaltungsgerichte genauso sehen werden.“

Kingreen sagte, er habe „große Schwierigkeiten“ damit, wenn das Grundrecht auf freie Religionsausübung höher gewichtet werde als andere Grundrechte, selbst in Corona-Hotspots – „obwohl ich selbst regelmäßig und gerne in die Kirche gehe“, so der Verfassungsrechtler. „Das Argument, dass Gottesdienste bevorzugt würden, weil Bayern ein christliches Land ist, finde ich spalterisch.“

Einschränkungen von Grundrechten durchaus gerechtfertigt

Insgesamt können nach den Worten Kingreens „unter bestimmten Voraussetzungen“ Einschränkungen von Grundrechten durchaus gerechtfertigt sein, um die Gesundheitsinfrastruktur zu schützen. „Auch solche, die nun ab Mittwoch in Bayern gelten.“ Der „Lockdown light“ zeichne sich – anders als das Herunterfahren des öffentlichen Lebens im Frühjahr – dadurch aus, dass stärker abgewogen werde.

Aber nicht alle beschlossenen Regeln seien dazu geeignet, dass sich etwas ändere, betonte der Fachmann. So seien etwa die „triftigen Gründe“, aus denen man in Regionen mit Ausgangsbeschränkungen das Haus verlassen dürfe, so weit gefasst, dass all das, was bisher erlaubt war, weiterhin erlaubt sei. „Das ist frustrierend, wenn man bedenkt, dass im Sommer der Schutz von Risikogruppen schlicht verschlafen worden ist und man lieber fragwürdige, medial aufgeblasene Massentestungen inszeniert hat.“ Kingreen forderte: „Man muss den Leuten ehrlich sagen: Wir haben eine schwierige Lage, mit der wir auch noch ein paar Monate leben müssen. Da hilft kein starker Staat, sondern nur die Verantwortung jedes Einzelnen und die Medizin.“

kna