In der Diskussion um einen „Noten-Bonus“ für den diesjährigen Abiturjahrgang fordern die Hochschulrektoren ein einheitliches Vorgehen der Länder.
Berlin – In der Diskussion um einen „Noten-Bonus“ für den diesjährigen Abiturjahrgang fordern die Hochschulrektoren ein einheitliches Vorgehen der Länder. „Wir müssen aufpassen, dass nicht einzelne Länder vorpreschen und Notenboni verteilen, das wäre unfair“, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-Andre Alt, den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“.
Gibt es Defizite im Lernstand bei den Abiturienten?
„Notenboni gibt es entweder für alle oder für niemanden, da muss eine gemeinsame Strategie verfolgt werden“, fügte er hinzu. Der HRK-Präsident geht davon aus, dass es angesichts der schwierigen Unterrichtssituation an den Schulen Defizite im Lernstand bei den Abiturienten geben wird. Die Hochschulen hätten schon in den letzten Jahren verstärkt sogenannte Brückenkurse eingeführt, die zu Beginn des ersten Semesters, vor der eigentlichen Vorlesungszeit stattfinden. Insbesondere in Mathematik, das seit längerem das „Hauptproblemfach“ sei, gebe es dieses Angebot, um die Studierfähigkeit sicherzustellen.
„Da werden die Hochschulen Anfang des nächsten Wintersemesters verstärkt Angebote machen“, erwartet Alt. „Wir müssen nicht fürchten, dass ein Jahrgang komplett unvorbereitet an die Hochschulen kommt.“ Eignungstests seien ein gutes komplementäres Bewertungssystem für Hochschulbewerbungen, aber wegen der großen Zahl von Bewerbern in vielen Fächern nicht möglich. „Deswegen wird die Abiturnote weiter der Schwerpunkt-Indikator sein.“
Abitur ohne Prüfung?
Alt appellierte an den diesjährigen Abiturjahrgang, sich nicht entmutigen zu lassen durch die Pandemie-Situation. „Vertraut darauf, dass ihr etwas gelernt habt in den letzten elf Jahren, lasst euch von den aktuellen Widrigkeiten nicht demotivieren“, rät er den Schulabgängern. „Bewerbt euch auf einen Studienplatz und vertraut darauf, dass ihr den Anforderungen gerecht werdet.“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert unterdessen, dass in diesem Corona-Schuljahr niemand sitzenbleiben darf. Das Abitur müsse notfalls auch ohne Prüfung abgelegt werden können. „Es ist höchste Zeit, dass die Kultusminister endlich ein Konzept vorlegen, wie Leistungsmessung, Prüfungen und Abschlüsse unter Corona-Bedingungen zu gestalten sind“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Donnerstag).
„Eine Ausnahmesituation wie die Corona-Krise verlangt besondere Regelungen: In diesem Schuljahr darf niemand sitzenbleiben“, fügte sie hinzu. Höchste Priorität habe, dass die Länder alle Abschlüsse gegenseitig anerkennen, sagte die Gewerkschafterin. „Die Länder müssen möglich machen, etwa das Abitur und den Mittleren Abschluss auch ohne Prüfung abzulegen – etwa, indem die Vorleistungen, die bereits erbracht worden sind und ohnehin den größten Teil der Note ausmachen, gewertet werden“, forderte sie. Für alle Schüler an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen müsse es einen Nachteilsausgleich geben.
Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) dringt darauf, die Corona-Situation bei Zensuren und Prüfungen zu berücksichtigen. „Die Umstände, unter denen die Kinder und Jugendlichen lernen, sind in diesem Jahr besonders schwierig“, sagte VBE-Chef Udo Beckmann. Die pädagogische und fachliche Kompetenz der Lehrkräfte stelle sicher, dass die Leistungen bewertet würden, die unter den gegebenen Bedingungen erbracht werden konnten. „Einen generellen Corona-Bonus wird es aber nicht geben.“
Mehr Flexibilität gefordert
Der Deutsche Philologenverband forderte für Lehrkräfte mehr Flexibilität bei der Auswahl der Prüfungsaufgaben für die Abiturklausuren. Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing sagte dem Redaktionsnetzwerk, grundsätzlich sei es zwar richtig, durch zentrale Aufgaben eine höhere Vergleichbarkeit der Abschlüsse anzustreben. „Doch in diesem Schuljahr ist eben vieles anders als sonst gelaufen – und oft kann nur der Lehrer vor Ort genau beurteilen, was gelernt werden konnte und was nicht“, sagte sie.