Justizministerin warnt vor versteckter Triage in Pflegeheimen

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat vor einer versteckten Triage in Altenpflegeheimen gewarnt.
Berlin – Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat vor einer versteckten Triage in Altenpflegeheimen gewarnt. "Natürlich weiß ich nicht, was in jedem einzelnen Pflegeheim gesprochen wird", sagte Lambrecht dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). "Aber es wäre schrecklich, wenn alte Menschen wegen fehlender 'Erfolgsaussichten' nicht mehr aus Pflegeheimen in Krankenhäuser überwiesen würden." Triage bezeichnet eine Entscheidung, wer eine intensivmedizinische Behandlung oder ein Beatmungsgerät erhält, wenn nicht hinreichend Ressourcen vorhanden sind.

(Symbolfoto Gerd Altmann/Pixabay)

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat vor einer versteckten Triage in Altenpflegeheimen gewarnt. „Natürlich weiß ich nicht, was in jedem einzelnen Pflegeheim gesprochen wird“, sagte Lambrecht dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). „Aber es wäre schrecklich, wenn alte Menschen wegen fehlender ‚Erfolgsaussichten‘ nicht mehr aus Pflegeheimen in Krankenhäuser überwiesen würden.“

Als Triage bezeichnet eine Entscheidung, wer eine intensivmedizinische Behandlung oder ein Beatmungsgerät erhält, wenn nicht hinreichend Ressourcen vorhanden sind.

Lambrecht: „Das wäre völlig inakzeptabel“

Hinweise und Äußerungen, wonach in Altenpflegeheimen bereits eine informelle Vorauswahl für die Überweisung von hochbetagten Corona-Patienten zur Behandlung ins Krankenhaus getroffen werde, kommentierte Lambrecht mit den Worten: „Das wäre völlig inakzeptabel. Darüber muss doch Einigkeit herrschen, ethisch wie rechtlich: In diesem Land ist uns jedes Leben gleich viel wert.“

Zuvor hatte die Gesundheitsexpertin der Grünen im Bundestag, Corinna Rüffer, angesichts der Verteilung der Corona-Todeszahlen von einer versteckten Triage in Altersheimen gesprochen. „Wir müssen befürchten, dass insbesondere erkrankte Hochbetagte in Pflegeheimen nicht die medizinische Versorgung bekommen, die sie eigentlich bräuchten.“.

Rund zwei Drittel der Corona-Todesfälle nicht auf Intensivstation verstorben

Laut den Statistiken des Robert-Koch-Instituts (RKI) seien rund zwei Drittel der Corona-Todesfälle nicht auf Intensivstation verstorben. „Das könnte darauf hindeuten, dass vor Ort in einer Art Triage entschieden wird, schwer Erkrankte nicht mehr ins Krankenhaus zu bringen. Das muss untersucht werden“, so Rüffer.

Weder schnelle Krankheitsverläufe, noch Patienten¬verfügungen würden die hohe Zahl derjenigen erklären, die außerhalb von Intensivstationen sterben. „Für mich besteht daher der Verdacht, dass Menschen aus Pflegeheimen keine Chance auf eine intensiv-medizinische Behandlung bekommen, weil sie von vornherein aussortiert werden. Wenn das zutrifft, würde das im Prinzip bedeuten, dass eine Vor-Triage in Einrichtungen stattfindet.“

Durchschnittsalter auf den Intensivstationen sei teilweise auf unter 60 Jahre gesunken

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dringt auf eine Statistik zu den Sterbeorten von Corona-Patienten. Das Durchschnittsalter auf den Intensivstationen sei teilweise auf unter 60 Jahre gesunken, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Zugleich liege der Anteil der über 70-Jährigen, die an Covid-19 gestorben seien, bei über 90 Prozent. „Dieser Widerspruch ist besorgniserregend“, sagte Brysch.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach verwies gegenüber den Funke-Zeitungen auf Aussagen von Intensivmedizinern und Pflegeleitern, denen zufolge viele Pflegebedürftige, die an Covid-19 erkrankten, auf ihren Stationen sterben. Er vermute, dass sich die zuständigen Ärzte auf Basis von Patientenverfügungen oder in Rücksprache mit den Angehörigen in vielen dieser Fälle gegen eine Einweisung in die Klinik entschieden, so der Politiker. Stattdessen beginne eine Palliativbehandlung. „Ich glaube nicht, dass hier verdeckte Rationierung eine Rolle spielt, etwa um die Intensivstationen zu entlasten.“

kna