Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann (60) nimmt aus gesundheitlichen Gründen in den nächsten zwei Monaten eine persönliche Auszeit.
Speyer – Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann (60) nimmt aus gesundheitlichen Gründen in den nächsten zwei Monaten eine persönliche Auszeit. „Ich bin schon seit einiger Zeit in einer gesundheitlich etwas angeschlagenen Verfassung. Die letzten Monate waren sehr kräftezehrend für mich. Ich bin immer wieder an die Grenzen meiner persönlichen Belastbarkeit gestoßen“, sagte Wiesemann am Samstag auf der digital abgehaltenen Diözesanversammlung des Bistums Speyer, ohne weitere Details zu nennen. „Ich bin Ihr Bischof, doch ich habe wie alle Menschen meine persönlichen Stärken, Schwächen und auch Grenzen dessen, was ich an Belastungen tragen und ertragen kann.“
Ärztlicher Rat
Dass er zwei Monate lang eine Auszeit nimmt, habe er auf ärztlichen Rat hin entschieden, erklärte Wiesemann. Er werde sich an einen „ruhigen Ort“ außerhalb der Diözese begeben. „Dort will ich versuchen – auch mit ärztlicher Unterstützung – wieder zu Kräften zu kommen und mich etwas zu regenerieren.“ Wiesemann sagte zudem, man möge sich um ihn „nicht allzu viele Sorgen“ machen: „Wir Westfalen haben ein robustes Naturell. Ich spüre, dass ich tief drinnen die Kraft habe, auch mit dieser Krise konstruktiv umzugehen. Nur brauche ich jetzt etwas Zeit, um die Quellen dieser Kraft wieder freizulegen.“
Wiesemann zeigte sich zuversichtlich, dass man sich bald wiedersehen werde, und bat darum, ins Gebet eingeschlossen zu werden. Die Vertretung in der Leitung des Bistums wird den Angaben zufolge Generalvikar Andreas Sturm übernehmen, anfallende bischöfliche Amtshandlungen Weihbischof Otto Georgens. „Mit ihnen werde ich auch in den nächsten Wochen in persönlicher Verbindung stehen, um auch in dieser Zeit ihnen allen und dem Bistum verbunden zu bleiben.“
Bistum Speyer plant Betroffenenbeirat
Erst am Mittwoch hatte Wiesemann angekündigt, dass in seiner Diözese sexueller Missbrauch weiter aufgearbeitet werden solle. Dafür werde ein Betroffenenbeirat und eine unabhängige Aufarbeitungskommission für das Bistum eingerichtet. Nach Veröffentlichung seines Interviews im Dezember zu Missbrauch in einem Kinderheim der Niederbronner Schwestern in den 1960er und 70er Jahren meldeten sich bislang weitere 15 Personen, die selbst betroffen seien oder zur Aufklärung beitragen wollten. Das Geschehen erschüttere das gesamte Bistum, hatte Wiesemann gesagt. Mitte Januar startete die Diözese zudem die Initiative „Sicherer Ort Kirche“, die dem Schutz von Kindern, Jugendlichen und hilfebedürftigen Erwachsenen vor Missbrauch dienen soll.
Der Bischof berichtete am Samstag von einem persönlichen Lernweg und betonte, dass ihm in Gesprächen mit Betroffenen „die Dimension des erlittenen Leids und Unrechts immer tiefer aufgegangen“ sei. Daraus resultiere für ihn das Ziel, „möglichst viel Licht ins Dunkel zu bringen“ und sich auch „den dahinter liegenden Fragen zum Beispiel nach Macht, Partizipation und der Rolle von Frauen in der Kirche“ zu stellen.
Bischof Wiesemann: Missbrauch mit aller Offenheit aufarbeiten
Das Bistum Speyer will sich nach den Worten von Bischof Karl-Heinz Wiesemann der Aufarbeitung von Missbrauch und der Prävention „mit aller Ehrlichkeit und Offenheit stellen“. Die Aufarbeitung habe nun eine stärker öffentliche Dimension und erfordere auch ein höheres Maß an Unabhängigkeit, betonte Wiesemann am Samstag auf der digital abgehaltenen Diözesanversammlung des Bistums. Es stelle sich bei dem Thema die Frage nach „verbindlichen Kriterien und Standards“. Die Deutsche Bischofskonferenz und der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hätten diese gemeinsam erarbeitet.
Das Bistum werde im ersten Quartal einen Betroffenenbeirat und eine unabhängige Aufarbeitungskommission einsetzen. Mitglieder für die Kommission seien Bernhard Scholten (Ex-Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Sozialministerium), Anne Sandhöfer (frühere Vizepräsidentin des Saarländischen Oberlandesgerichts), Mareike Ott (Organisation „Wildwasser“ und Notruf Ludwigshafen) und Karl Kunzmann (Vertreter des Katholikenrats im Bistum). Hinzu kämen zwei Mitglieder des Betroffenenbeirats sowie ein weiteres Mitglied, das das Bistum benennt. Insgesamt sollen der Kommission sieben Personen angehören.
Initiative „Sicherer Ort Kirche“
Große Hoffnung setze er in die im Januar gestartete diözesanweite Initiative „Sicherer Ort Kirche“, sagte Wiesemann. Sie diene dem Schutz von Kindern, Jugendlichen und hilfebedürftigen Erwachsenen vor sexuellem Missbrauch. Einrichtungen, Verbände und Pfarreien des Bistums würden Schutzkonzepte entwickeln, die einen Kulturwandel zu mehr Wachsamkeit und Achtsamkeit bewirken sollten.
Generalvikar Andreas Sturm unterstrich den Zusammenhang von Aufarbeitung und Prävention: „Wir wollen aus den Erfahrungen der Betroffenen lernen, wie wir Kinder, Jugendliche und schutzbedürftige Erwachsene wirksamer schützen können.“ Zugleich warb er für eine differenzierte Betrachtung: „Nicht jeder, der beschuldigt wird, ist auch ein Täter.“
In der Diözesanversammlung wurde nach Bistumsangaben angeregt, auch geistlichen Missbrauch zu betrachten und die „Sprachfähigkeit zum Thema Missbrauch auf allen Ebenen“ zu stärken. Unterstrichen worden sei der Zusammenhang mit dem Dialogprozess Synodaler Weg.