Theologe: Entlastung Woelkis nicht nachvollziehbar

Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke kann die Entlastung von Kardinal Rainer Maria Woelki durch den Vatikan im Missbrauchsfall O. nicht nachvollziehen.
Kölner Dom, Erzbistum Köln, Bonn – Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke kann die Entlastung von Kardinal Rainer Maria Woelki durch den Vatikan im Missbrauchsfall O. nicht nachvollziehen. Der Erzbischof wäre eindeutig dazu verpflichtet gewesen, 2015 die Missbrauchsvorwürfe gegen den ihm bekannten Priester O. nach Rom zu melden, sagte Lüdecke am Dienstag dem Internet-Portal katholisch.de.

(Symbolfoto: SatyaPrem/Pixabay)

Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke kann die Entlastung von Kardinal Rainer Maria Woelki durch den Vatikan im Missbrauchsfall O. nicht nachvollziehen. Der Erzbischof wäre eindeutig dazu verpflichtet gewesen, 2015 die Missbrauchsvorwürfe gegen den ihm bekannten Priester O. nach Rom zu melden, sagte Lüdecke am Dienstag dem Internet-Portal katholisch.de.

Woelki wird von Kritikern zur Last gelegt, dass er den Fall des mit ihm befreundeten O. 2015 nach seinem Amtsantritt in Köln zwar zur Kenntnis genommen, aber eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom unterlassen habe. Der Kardinal begründete dieses Vorgehen mit der damals schon weit fortgeschrittenen Demenz des ehemaligen Pfarrers.

Dissens über Meldepflicht

Nach Meinung der zuständigen römischen Kurienbehörde musste Woelki den Verdacht des Missbrauchsfalls nach damals geltendem Recht nicht zwingend nach Rom melden. Eine entsprechende Einschätzung der Römischen Glaubenskongregation ging vergangene Woche an die Bischofskongregation, die um eine Beurteilung gebeten hatte, wie die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) aus dem Umfeld der Kurie erfuhr. Eine bedingungslose Meldepflicht, wie sie spätestens seit 2020 vorgeschrieben ist, habe damals noch nicht gegolten, heißt es dazu aus Rom. Ob es „klug war“, den Fall nicht zu melden, sei „allerdings eine andere Frage“. Nach öffentlicher Kritik hatte Woelki Mitte Dezember den Vatikan um Prüfung gebeten.

Laut Lüdecke bot die Demenz des mutmaßlichen Täters keinen Entscheidungsspielraum. Zu klären sei, ob ein Tatverdacht besteht, damit die Kongregation das weitere Vorgehen bestimmen könne. Mit Blick auf eine mögliche Verjährung sagte Lüdecke, grundsätzlich könne die Kongregation eine Verjährung aufheben. Dazu müsse sie aber um diese Fälle wissen. „Wenn ihr diese Fälle nicht gemeldet werden, kann sie nicht beurteilen, ob sie auf eine Verjährung oder eine Aufhebung der Verjährung entscheidet.“

Lüdecke: Wer Verlässlichkeit und Rechtssicherheit suche, habe im katholischen Kirchenrecht ein Problem.

Das Problem mit der nun bekannt gewordenen Mitteilung der Glaubenskongregation besteht nach den Worten des Kirchenrechtlers aber vor allem darin, dass sie Woelki rechtskonformes Handeln bescheinige. „Das ist für einen Kanonisten nicht nachvollziehbar“, so Lüdecke. „Der Wortlaut sagt, es ist ausnahmslos zu melden – auch bei Verjährung, auch bei Demenz des Täters“, betonte der Theologe.

Lüdecke rechnet nicht damit, dass die Glaubenskongregation die Gründe für ihre Entscheidung offiziell bekannt gibt. Sie sehe sich dazu gar nicht in der Pflicht. „Sie teilt sie mit, und das war es dann.“ Dies habe mit katholischem Kirchenrecht zu tun. „Das Recht ist in der Hand des jeweiligen Gesetzgebers und des Verwalters, also auch in der Hand des Rechtsanwenders, nicht in der Hand unabhängiger Instanzen.“ Wer Verlässlichkeit und Rechtssicherheit suche, habe im katholischen Kirchenrecht ein Problem.

kna