In einem offenen Brief appelliert die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg im Bistum Essen, die Kinder- und Jugendarbeit in der Corona-Krise nicht aus dem Blick zu verlieren.
Essen – Mit einem offenen Brief wendet sich die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) Diözesanverband Essen an die Landespolitik. Damit möchten die Pfadfinder die Situation der Verbandsarbeit von Kindern und Jugendlichen in Zeiten der Corona-Pandemie stärken und sich zu ihrem Sprachrohr machen. Im Rahmen der Krisenpolitik sei in den vergangenen Wochen immer wieder von Kindern und Jugendlichen als den „großen Verlieren“ der Pandemie gesprochen worden. Dem schließt sich die DPSG an. Sie möchte zwar nicht die Herausforderungen von finanziell und gesundheitlich leidenden Menschen relativieren. Aber sie möchte darauf hinweisen, wie sehr insbesondere viele Kinder und Jugendliche unter den Kontaktbeschränkungen leiden. Das hätten bereits Studien zu psychischen und emotionalen Auswirkungen der Pandemie gezeigt.
DPSG fordert von der Politik, die Sicht auf Bildung spürbar zu weiten
Kinder und Jugendliche seien auf Bildungsangebote angewiesen, die in vielen Familien nicht geleistet werde. Mit großer Sorgen beobachte der Verband, dass viel über die Öffnung von Schulen nachgedacht werde, außerschulische Bildung aber kaum eine Rolle zu spielen scheine. Die DPSG weist darauf hin, dass gerade an dieser Stelle die Arbeit des mit 8.000 Mitgliedern größten kirchlichen Jugendverbands im Bistum Essen eine Rolle spielen müsse. Was in den Gruppenstunden und in der Jugendbildungsstätte Don Bosco in Hagen passiere, sei mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Der Verband fordert von der Politik, die Sicht auf Bildung in der Debatte um notwendige Infektionsschutzmaßnahmen spürbar zu weiten. Es sei unverständlich und unvermittelbar, warum an dieser Stelle Schule und außerschulische Bildung mit zweierlei Maß beurteilt werden. Beide Aspekte seien wichtig. Viele der Menschen, die heute in außerordentlichem Maß die Gesellschaft tragen, kämen aus der Jugendverbandsarbeit.
Die DPSG betont, dass Bildung in weiten und existenziellen Teilen auch außerhalb des Systems Schule stattfinde. Mit dem Programm „Wir werden Klasse“ beispielsweise, das fünfte Klassen in der Jugendbildungsstätte wahrnähmen, lernten sie auf spielerische, erlebnispädagogische Art und Weise, wie wichtig es ist, als Gemeinschaft zu funktionieren. Die Erlebnisse wirkten sich auch positiv aus das Lernverhalten in der Schule aus, für einige seien sie sogar grundlegend. Auch Kinder aus strukturschwachen Kontexten würden mit dem Programm erreicht.
Fokus nicht nur auf Lehrpläne richten
Wissensvermittlung sei ein nicht wegzudenkender Teil der Gesellschaft. Ihr gehörten allerdings, mindestens gleichgestellt, soziale Faktoren auch außerhalb von Schule an. Die Hygienekonzepte, die Gruppen vor Ort bereits im Sommer entwickelt haben, genügten hohen Standards und minimierten das Infektionsrisiko. Es gehe um viel mehr als „bloße Bespaßung“, stattdessen um Perspektiven. Gleiches fordert die DPSG für außerschulische Angebote in den Jugendbildungsstätten. Klassenfahrten mit Bildungshintergrund müssten bei einer Öffnung der Schulen wieder möglich sein. Auch hier würden schließlich hohe Hygienestandards gelten, die es nicht nachvollziehbar machten, aus welchem Grund es dort ein höheres Infektionsrisiko geben sollte.
Die DPSG betont, dass der Fokus nicht alleine darauf liegen dürfe, Lehrpläne einzuhalten und die gleichen Lernziele wie vor der Pandemie zu erreichen. Ansonsten seien insbesondere entstandene soziale Defizite nur schwer, vielleicht auch gar nicht mehr aufzuholen. Bildung sei ein ganzheitlicher Prozess, der als solcher beachtet werden müsse. Es liege in der Verantwortung der Politik, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene jetzt nicht im Stich zu lassen. „Vergessen Sie diese Gruppe nicht, deren Stimme vielleicht nicht immer die lauteste, dafür aber eine unendlich wichtige ist“, so der eindringliche Appell.