Der tschechische Theologe und Bestsellerautor Tomas Halik (72) fordert eine grundlegende Reform der katholischen Kirche.
Bonn – Der tschechische Theologe und BestsellerautorTomas Halik (72) fordert eine grundlegende Reform der katholischen Kirche. „Die Kirche muss ihren Egozentrismus und kollektiven Narzissmus aufgeben“, sagte der Professor für Soziologie an der Karlsuniversität Prag am Montag im Interview mit katholisch.de. „Sie muss weg von institutionellen Machtinteressen hin zur Gesellschaft.“
Ihre Zukunft liege in der spirituellen Begleitung der Suchenden, betonte der Theologe. „Wir brauchen spirituelle Zentren für Begegnung und Gespräch.“ Die traditionelle Gemeindeseelsorge verbrauche zu viele Ressourcen. Es brauche respektvollen Dialog und spirituelle Begleitung für alle, etwa bei der Armee, in Gefängnissen, Krankenhäusern und Hochschulen.
Halik wandte sich auch gegen das klassische Verständnis von Missionierung. Viele missionierten wie Evangelikale. „Das funktioniert aber nicht wirklich.“ Mitgliederzuwachs dürfe nicht das Ziel sein. „Die spirituelle Erfahrung der Suchenden muss einen Platz in der Kirche bekommen.“
In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Theologen auch ein verändertes Verständnis der Eucharistie nötig: Sie sei keine Belohnung, „sondern eine Stärkung für uns Schwache und für die Suchenden“. Es könne einerseits keine Einladung an alle geben. Andererseits könne die Kirche aber auch nicht einfach alle, die in „irregulären Situationen“ lebten, ausschließen. „Darunter gibt es viele auf dem Weg des Glaubens, die Hunger und Sehnsucht nach dem panis viatorum haben.“
Die Corona-Pandemie bietet aus Sicht des Theologen die Chance für die Kirche, über „krankhafte und primitive Gottesbilder nachzudenken. Wir müssen weg von einem Gott, der wie ein Regisseur das Welttheater lenkt oder durch die Pandemie Sünden bestraft. Corona ist auch eine Krise leichtfertiger Frömmigkeit.“
Halik zeigte sich überzeugt, dass „jetzt die Stunde der Frauen“ in der Kirche sei. Sie habe im 19. Jahrhundert bereits die Arbeiterklasse verloren; dann viele Intellektuelle durch ihren einseitigen Antimodernismus; die Jugend in den 1960er Jahren durch die panische Reaktion auf die „sexuellen Revolution“. „Jetzt sehe ich die Gefahr, die Frauen zu verlieren.“
Der Theologe sprach sich für eine beharrliche Weiterentwicklung aus, um eine Spaltung zu verhindern. Die nächsten Schritte müssten die Predigten von Frauen und die Diakoninnenweihe sein. „Das sind zwei Schritte, die jetzt machbar sind. Die Priesterordination ist schwierig. Von meiner Seite spricht nichts dagegen.“
Halik wurde 1978 heimlich zum Priester geweiht und war enger Mitarbeiter von Kardinal Tomasek und Staatspräsident Vaclav Havel. Er ist Professor für Soziologie und Pfarrer der Akademischen Gemeinde Prag.