Kardinal Woelki entbindet Amtsträger von Aufgaben

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben entbunden.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben entbunden.

Kardinal Woelki

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben entbunden. Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten vorgestellte Gutachten hatte bei beiden Verantwortungsträgern mehrere Pflichtverstöße im Umgang mit Missbrauchsfällen festgestellt. Der Leiter des Kölner Kirchengerichts, Günter Assenmacher, 69, habe in zwei Fällen unzutreffende Rechtsauskünfte gegeben.

Woelki: Habe Zusage eingehalten

Woelki zeigte sich vor Journalisten entschlossen, dass es für Kleriker keine Sonderregelungen geben könne. Das Gutachten hatte ergeben, dass Pflichtverstöße bei Laien im Erzbistum wesentlich zügiger geahndet wurden als bei Klerikern. Handeln müsse auch für Kleriker Konsequenzen haben, unterstrich der Kölner Erzbischof. Wörtlich sagte Woelki: „Nichts geahnt“ ist seit heute nicht mehr möglich. Woelki will das Gutachten unmittelbar an den Vatikan weiterleiten.

Er werde das Gutachten in den nächsten Tagen nun erst einmal lesen müssen und weitere Konsequenzen daraus ableiten, erklärte Woelki am Donnerstag in Köln. Nicht in allen Fällen – etwa bei Diözesanbischöfen – sei er zuständig. „Ich werde das Gutachten deshalb noch heute nach Rom weiterleiten“, so Woelki. Die Zusage, Vertuschung aufzudecken und Namen von Verantwortlichen zu benennen, sei mit der Vorstellung der Untersuchung eingelöst worden. Der Kardinal bekräftigte seine Ankündigung, am Dienstag über weitere Konsequenzen zu informieren.

„Höchste Verantwortungsträger – auch meine Vorgänger – haben sich vielfach klar schuldig gemacht“, so Woelki weiter. Zu behaupten, nichts geahnt zu haben, sei heute nicht mehr möglich und nicht mehr denkbar. Auch für Kleriker müsse ihr Handeln Konsequenzen haben.

Gutachten belastet Erzbischof Heße und Generalvikar Feldhoff

Das am Donnerstag in Köln vorgestellte Gutachten belastet auch den Hamburger Erzbischof Stefan Heße (54) sowie den früheren Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff (81). Ihnen sowie den bereits verstorbenen Erzbischöfen Joseph Höffner (1906-1987) und Joachim Meisner (1933-2017) attestiert die Anwaltskanzlei Gercke & Wollschläger in ihrer Untersuchung jeweils zahlreiche Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen – gemessen am staatlichen und kirchlichen Recht sowie am kirchlichen Selbstverständnis.

Den amtierenden Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki (64) treffen laut der Untersuchung keine Vorwürfe. Ihm war angelastet worden, 2015 den Fall eines befreundeten Pfarrers, der in den 1970er Jahren ein Kindergartenkind missbraucht haben soll, pflichtwidrig nicht an den Vatikan gemeldet zu haben. Nach Ansicht der Gutachter hat jedoch 2015 keine Meldepflicht bestanden, weil der Beschuldigte damals verhandlungsunfähig war und nicht bestraft hätte werden können. Das Erzbistum Köln hatte zuvor bereits erklärt, der Priester habe wegen einer Demenzerkrankung nicht mehr vernommen werden können.

Keine Strafvereitelung

In keinem einzigen Fall attestieren die Gutachter den Verantwortlichen Strafvereitelung im strafrechtlichen Sinn. Gercke hat – laut Aktenlage – 75 Pflichtverletzungen von acht lebenden und verstorbenen Verantwortlichen von 1975 bis 2018 ausgemacht. Acht Pflichtverletzungen von Erzbischof Joseph Höffner habe es gegeben, 24 von Erzbischof Meisner – ein Drittel aller Pflichtverletzungen. 13 Pflichtverletzungen seien bei dem ehemaligen Generalvikar Norbert Feldhoff festgestellt worden und acht bei Weihbischof Dominik Schwaderlapp. Schwer beschuldigt wurde auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße: Er habe elf Pflichtverletzungen begangen.

Gehrcke und die Co-Autorin der Studie, Kerstin Stirner, bescheinigten den Verantwortlichen eine große Rechtsunkenntnis und eine desaströse Aktenlage. Wenn Vorschriften geheim seien, sei Rechtsunkenntnis die logische Folge. Der Schutz der Institution Kirche habe im Vordergrund gestanden. Bei Verfehlungen von Laien habe es dagegen kein Fehlverhalten gegeben; es habe rasche Kündigungen gegeben. Woelki sagte dazu, er sei beschämt über diese Erkenntnis.

Gutachten untersucht Zeitraum zwischen 1975 und 2018

Das Gutachten hatte Kardinal Woelki erst im Oktober vergangenen Jahres in Auftrag gegeben. Es handelt sich um die zweite Ausarbeitung für das Erzbistum – ein erstes Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wurde zunächst nicht wie vorgesehen veröffentlicht, weil Woelki es für mangelhaft hält. Kritiker warfen ihm deshalb mangelnden Aufklärungswillen vor.

Für das aktuelle Gutachten wurden nach Angaben der Kanzlei der Zeitraum zwischen 1975 und 2018 untersucht. Es gab Übergriffe und Grenzverletzungen von insgesamt 202 Beschuldigten, davon knapp zwei Drittel Kleriker. Die Zahl der Opfer beläuft sich auf 314, darunter 178 männliche und 119 weibliche. Bei 17 Opfern gab es keine Angabe zum Geschlecht.

Das komplette Gutachten soll gegen 13.00 Uhr auf der Internetseite des Erzbistums Köln veröffentlicht werden, nachdem zunächst der Betroffenenbeirat Einsicht erhalten hat. Ab dem 25. März sollen Betroffene, Journalisten und weitere Interessierte Möglichkeit zur Lektüre des WSW-Gutachtens bekommen.

rwm