Nach Ansicht des vatikanischen Experten für Missbrauchsprävention, Hans Zollner, bleibt das vom Erzbistum Köln vorgelegte Missbrauchs-Gutachten „im Ansatz und im Ergebnis hinter dem zurück“, was sich viele „als gerechten und guten Umgang mit Betroffenen gewünscht hätten“.
Köln/Rom – Nach Ansicht des vatikanischen Experten für Missbrauchsprävention, Hans Zollner, bleibt das vom Erzbistum Köln vorgelegte Missbrauchs-Gutachten „im Ansatz und im Ergebnis hinter dem zurück“, was sich viele „als gerechten und guten Umgang mit Betroffenen gewünscht hätten“. Eine Aufarbeitung nach kirchlichem Selbstverständnis umfasse viel mehr, sagte Zollner im Interview mit dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de am Mittwoch.
Zollner: Perspektive der Opfer fehlt
Vor allem fehle dem Gutachten die Perspektive der Opfer, kritisierte der Psychologe und Leiter des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Nur auf vier Seiten gehe man auf die Fürsorge für die Betroffenen ein; zudem fehle der Kontakt zu denen, die im Erzbistum Köln als Beauftragte „jahrelang im Kontakt mit Betroffenen waren, deren Fälle angehört und angenommen haben“.
Für eine wirkliche Aufarbeitung dürfe „nicht nur das, was liegen geblieben ist“, bearbeitet werden. Vielmehr müssten konkrete Vorschläge gemacht werden, „wie man zu einer größeren Klarheit kommt und wie man dies tatsächlich auch verarbeiten kann und nicht nur benennen“.
Gutachten aber auch „Schritt nach vorne“
Dennoch sei das Kölner Gutachten für Deutschland „ein wichtiger Schritt nach vorne“. Der internationale Vergleich fällt laut Zollner aber bescheidener aus. In USA etwa wurden bei entsprechenden Gutachten immer Ross und Reiter genannt. Aufgrund einer anderen Rechtslage habe es dort keine Diskussion gegeben, „ob man da jetzt äußerungsrechtlich so oder so vorgehen könnte“.
Überhaupt gibt es nach Zollners Aussage im angelsächsischen Raum, etwa in Irland, Australien und USA, die Möglichkeit umfassender staatlicher Kommissionen zur Aufarbeitung. Die entsprechende „Royal Commission“ in Australien etwa nehme Missbrauch in der ganzen Gesellschaft in den Blick: Sport, Militär, Justizvollzug, Polizei.
Instrumentarium fehle
Deutschland, so Zollner gegenüber domradio.de, habe „kein entsprechendes parlamentarisches oder rechtliches Instrumentarium“. Bei einem Gespräch mit zwei Bundestagsabgeordneten im vergangenen Herbst hätten diese zwar zugesagt, ein solches Instrument zu prüfen. Bis heute habe er aber davon nicht wieder gehört.