Forscher: Regierung beschönigt Armut in Deutschland

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge wirft der Bundesregierung vor, in ihren jährlichen Armutsberichten die Lage in Deutschland zu beschönigen und die soziale Ungleichheit zu verschärfen.
München – Der Armutsforscher Christoph Butterwegge wirft der Bundesregierung vor, in ihren jährlichen Armutsberichten die Lage in Deutschland zu beschönigen und die soziale Ungleichheit zu verschärfen. "Insgesamt bedient der Bericht ein neoliberales Narrativ, das Armut verharmlost und Reichtum verschleiert", sagte Butterwegge der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). Im jüngsten Bericht stehe zwar die Behauptung, die Ungleichheit habe sich seit 2005 nicht mehr verschärft. Aber: "Im Herbst 2005 kam die neue Regierung ins Amt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, nämlich dass justament seit Merkels Regierungsantritt sich die Ungleichheit nicht verschärft haben soll."

Prof. Dr. Christoph Butterwegge ist Professor für Politikwissenschaft am Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. -Foto: Wolfgang Schmidt

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge wirft der Bundesregierung vor, in ihren jährlichen Armutsberichten die Lage in Deutschland zu beschönigen und die soziale Ungleichheit zu verschärfen. „Insgesamt bedient der Bericht ein neoliberales Narrativ, das Armut verharmlost und Reichtum verschleiert“, sagte Butterwegge der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag). Im jüngsten Bericht stehe zwar die Behauptung, die Ungleichheit habe sich seit 2005 nicht mehr verschärft. Aber: „Im Herbst 2005 kam die neue Regierung ins Amt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, nämlich dass justament seit Merkels Regierungsantritt sich die Ungleichheit nicht verschärft haben soll.“

Der Reichtum werde verschleiert, indem der Bericht schon Personen reich nenne, die mehr als das Doppelte des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. „Für die Bundesregierung ist man mit einem Nettogehalt von 3.900 Euro einkommensreich – und befindet sich in derselben Kategorie wie Dieter Schwarz, der über ein Privatvermögen von 41,8 Milliarden Euro verfügt.“ Der Eigentümer der Unternehmen Lidl und Kaufland fällt nach dem Bericht unter die Kategorie „Wohlhabenheit“. „Ein bizarres Kunstwort und ein semantischer Taschenspielertrick. Besagter Dieter Schwarz, der sein Vermögen während der Pandemie laut Forbes um 14,2 Milliarden Dollar vermehrt hat, fällt unter diese ‚Wohlhabenheit‘ – mit fast acht Millionen anderen Deutschen“, sagte Butterwegge.

Laut Statistischem Bundesamt verfügten 13,2 Millionen Menschen in Deutschland über weniger als 1.074 Euro im Monat. „Die Armut frisst sich mittlerweile in die Mitte der Gesellschaft hinein, und das wird durch den zweimaligen Corona-Lockdown verstärkt“, betonte der Armutsforscher, der von 1998 bis 2016 als Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln lehrte.

Den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gehörten inzwischen mehr als 67 Prozent des Nettogesamtvermögens. „Dazu hat die Bundesregierung durch ihre Politik beigetragen. Denn sie begünstigte Reiche und Hyperreiche, wie ich sie nenne, weil es nicht gesund für die Gesellschaft ist, dass 45 Familien mehr besitzen als die Hälfte der Bevölkerung, also über 40 Millionen Menschen.“

Butterwegge sieht drei Ursachen für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich: „Zum einen wurde der Arbeitsmarkt extrem dereguliert.“ Inzwischen mache der Niedriglohnsektor fast ein Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse aus. Der zweite Grund sei die Demontage des Sozialstaates. Drittens habe die Abschaffung der Kapital- und Gewinnsteuern bei gleichzeitiger Anhebung der Mehrwertsteuer

kna